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Nathanael

Titel: Nathanael Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Landers
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über sie.
    «Verzeih mir, Tessa», sagte er und hauchte einen Kuss auf ihre Stirn.
    Da sie sich gegen seine Kräfte zur Wehr gesetzt hatte, verblieb ihm nur eine begrenzte Zeit, bis die Wirkung nachließ und sie erwachte. Noch vor dem Morgengrauen musste er wieder zurück sein. Trotz allem kam er sich schäbig vor, weil er seine Gabe missbraucht hatte, um sie gegen ihren Willen von ihrem Vorhaben abzuhalten. Wenn sie erwachte, würde sie ganz bestimmt sehr wütend auf ihn sein. Aber es war Zeit, Leviathan und seine Verbündeten in die Hölle zu schicken. Ein Kampf wäre genau das Richtige, um seinen Emotionen freien Lauf zu lassen. Einen Wimpernschlag später schloss er hinter sich die Tür.
    Mit einem Dutzend Waffen bestückt, darunter auch das Flammenschwert, verließ Nathanael die Bar durch den Hintereingang. Draußen begegnete er Cynthia, die ein paar streunende Katzen von den überfüllten Mülltonnen wegscheuchte.
    Sie sah auf, als er sich ihr näherte.
    «Du gehst auf die Jagd?» Mit einem Kopfnicken deutete sie auf den Schwertknauf, der zwischen seinen Schulterblättern hervorragte.
    Nathanael nickte.
    Sie warf einen Blick über seine Schulter und runzelte die Stirn. «Wo sind Aaron und Joel?»
    «Ich gehe allein.»
    «Bist du verrückt?»
    Er überhörte ihren Einwand. «Es ist mein Auftrag, nicht ihrer. Hör zu Cyn, könnt ihr euch in der Zwischenzeit um Tessa kümmern? Ich bin so schnell wie möglich zurück. Sie darf auf keinen Fall das Ghetto verlassen. Hast du verstanden?»
    Ihre Augen verengten sich zu Schlitzen. «Bezahlt sie uns etwa auch?»
    Nathanael ignorierte die bissige Bemerkung, als er erkannte, wie besorgt sie um ihn war. Vor allem verspürte er keine Lust, noch einen Streit vom Zaun zu brechen.
    Als er sich an ihr vorbeischob, lief sie ihm hinterher und hielt ihn am Arm fest. Langsam drehte er sich zu ihr herum. Zum ersten Mal erkannte er Tränen in ihren Augen.
    «Ich spüre deutlich Luzifers Zorn, der vor allem dir gilt. Dein Leben ist in großer Gefahr. Ich könnte es nicht ertragen, wenn dir etwas geschieht.»
    Nathanael war versucht, mit seiner Hand über ihre entstellte Gesichtshälfte zu streichen, aber er tat es nicht. Er würde ihr auch heute keinen Anlass zur Hoffnung geben. Nach Ginas Tod war sie ihm eine gute Freundin geworden, mehr nicht. Sein Herz gehörte für immer Tessa.
    «Du gehst ihretwegen, stimmt’s?»
    Wie konnte er auch nur einen Moment annehmen, seine Gedanken und Gefühle vor ihr verstecken zu können. Prophetinnen konnten nicht nur die Gedanken der Menschen lesen, sondern auch die der Engel.
    «Cyn, das geht dich nichts an.»
    Cynthias verlorener Blick weckte Mitleid in ihm.
    «Aber sie gehört nicht hierher, nicht zu uns!», rief sie heiser. Sie stemmte die Hände in die Hüften und sah ihn mit ernster Miene an. «Ich weiß, sie wird dir dein Engelsherz brechen.»
    Bevor er etwas erwidern konnte, machte sie auf dem Absatz kehrt und eilte in die Bar.
    Nathanael blickte ihr nachdenklich hinterher. Wie viel einfacher wäre es gewesen, sich in Cynthia zu verlieben. Doch das Schicksal hatte es anders bestimmt. Schweren Herzens lief er die Straße entlang, die ihn zum Hafen führte. Er musste sich beeilen, wenn er bis zum Morgengrauen zurück sein wollte.

25.
    Es war recht unwahrscheinlich, dass Leviathan ein weiteres Mal nach Harlem zurückkehrte. Aber Nathanael erinnerte sich an den Hinterhof in der Lower Eastside, wo ein weiteres Höllentor existierte und beschloss, einen Abstecher dorthin zu unternehmen.
    Die Straßen der Lower Eastside erschienen ihm dunkler als das restliche Manhattan. Die grauen, heruntergekommenen Häuserfassaden wirkten genauso wenig einladend wie die Vielzahl von Obdachlosen, die in den Hinterhöfen vor Regen und Kälte Schutz suchten. Jeden Tag berichteten die Zeitungen von Raub und Vergewaltigungen aus dieser Gegend. Wer sich hier nach Anbruch der Dunkelheit herumtrieb, gehörte einer kriminellen Gang an oder musste sich verlaufen haben.
    Hinter ihm grölten Betrunkene. Es folgte eine Tirade spanischer Schimpfwörter von einer Frau, die sich wohl in ihrer Ruhe gestört fühlte.
    Er bog in den Hinterhof ein, in den er neulich den Dämon verfolgt hatte. Der Asphalt war mit zahllosen Dellen übersät, als hätte ein Tier aus dem Untergrund versucht, sich durchzubohren. Dazwischen schlängelte sich ein Wulst – der Beweis, dass der Boden schon einmal aufgebrochen war.
    Nathanael hockte sich hin und strich mit den Fingern darüber. Die Erde

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