Nathanael
ihrem Gang mehr Natürlichkeit verlieh.
«Hast du mich etwa gesucht?» Er hatte weder Lust auf Small Talk noch auf Sex und wollte sie so schnell wie möglich loswerden.
«Cynthia hat mir gesagt, dass du hier draußen bist», antwortete sie und schenkte ihm ein betörendes Lächeln. «Schau mal, das hier hat Seth für mich in Hongkong organisiert.» Sie drehte sich im Kreis.
Unter dem roten Seidentop wippten ihre Brüste. Heute ließ es ihn kalt.
«Mach dir keine Illusionen. Das ist secondhand.»
Er kannte Seth gut genug, um zu wissen, dass er irgendwelche Ware im Ausland auf nicht legalem Weg kaufte und sie aufmotzte, um sie als Designerklamotten teuer weiterzuverkaufen. Er fand immer ein Opfer.
Sie zog einen Schmollmund. «Dabei wollte ich dich beeindrucken.» Sie klimperte mit ihren falschen Wimpern und sah ihn herzerweichend an.
Das Mädchen wirkte auf den ersten Blick unschuldig, zerbrechlich und weckte den Beschützerinstinkt. Aber hinter der Fassade steckte eine Person mit eisernem Willen, den sie um jeden Preis durchsetzte. Das hatte er bereits erfahren, als sie ihn überredet hatte, sie in diese verdammte Spelunke mitzunehmen, obwohl es nur Auserwählten zugestanden wurde.
Sie versuchte weiter, ihn scharf zu machen, indem sie sich im Kreis drehte und mit dem Hintern wackelte. Die Jeans saß so knapp, dass er sich fragte, wie sie da hineingekommen war. Er musste gestehen, dass die Kleidung ihre weiblichen Rundungen zur Geltung brachte. Dennoch berührte es ihn nicht. Keine konnte sich mit Tessa messen, die eine Sinnlichkeit ausstrahlte, die ihn nicht zur Ruhe kommen ließ.
Unter langen Wimpern sah die Blondine zu ihm auf. «Wir könnten heute Nacht wieder viel Spaß miteinander haben», säuselte sie.
Es gab Tage, an denen ihn nichts daran gehindert hätte, sie ins Bett zu zerren, aber der Gedanke an Tessa hinderte ihn daran. Das irritierte ihn. Es war nicht gut, wenn eine Frau ihn derart gefangen nahm. Er begann, etwas für Tessa zu empfinden, selbst wenn er sich noch so sehr dagegen wehrte. Das konnte er nicht gebrauchen, es verkomplizierte alles.
«Ein anderes Mal vielleicht.»
«Ich dachte, wir könnten wenigstens an der Bar einen Drink zusammen nehmen.» Ihre Stimme klang rau, während sie im Zeitlupentempo mit einem Finger die Knopfleiste seines Hemds hinab strich. Für einen Moment hielt er die Luft an, als es auf seiner Brust unter der Berührung zu prickeln begann. Doch dann hielt er ihre Hand fest und schob sie fort.
«Lass das. Ich habe einen wichtigen Auftrag zu erledigen. Du findest bestimmt einen anderen Begleiter für die Nacht in der Bar.» Nathanael deutete mit einem Kopfnicken zur Tür.
Ihre Mundwinkel zogen sich nach unten. «Ist es wenigstens ein lukrativer Auftrag?»
Sie spielte auf seinen Auftrag als Bodyguard an, der ihm vor Monaten eine beträchtliche Summe eingebracht hatte, von der auch sie profitiert hatte.
«Vielleicht», antwortete er ausweichend.
Ihre Miene drückte Desinteresse aus. «Ach, kein richtiger Auftrag. Du jagst mal wieder diese grässlichen, rotäugigen Dämonen.»
«Wäre es dir lieber, sie würden dich jagen?»
Sie zuckte zusammen und riss die Augen weit auf. «Bist du verrückt? Sind die etwa in der Nähe? Die Alpträume werde ich nicht so schnell vergessen.» Ihr Blick huschte ängstlich umher.
«Nein, nicht hier. Aber an deiner Stelle würde ich in dieser verlassenen Gegend nicht ohne Begleitung draußen rumlaufen. Geh lieber wieder rein.»
Er fasste ihre Schultern und drehte sie um. Sanft schob er sie in Richtung Hintertür, aber sie stoppte und wandte den Kopf zur Seite.
«Nathan, bitte, komm doch noch eine Weile mit rein», bettelte sie.
«Nein. Ich habe noch was anderes vor. Komm, ich bringe dich rein. Hier draußen ist es für dich zu gefährlich.» Er umfasste ihren Arm und zog sie mit sich.
«Du kannst mich loslassen, ich finde den Weg allein. Ich hab schon verstanden. Weißt du, ich dränge mich keinem Kerl auf», antwortete sie und riss sich los. Ohne sich umzudrehen, stolzierte sie hoch erhobenen Hauptes in die Bar.
Er ließ sie gehen, schüttelte noch einmal den Kopf und wandte sich ab. Die Hände tief in den Taschen seiner Lederjacke vergraben, stapfte er die Straße zwischen den Lagerhallen entlang.
Eilige Schritte näherten sich und ließen ihn aufhorchen. Er atmete erleichtert auf, als er Seths Silhouette an dem gebeugten Gang erkannte. Manchmal half der Nephilim in der Bar aus, wenn Cynthia ihren freien Tag hatte.
Seth
Weitere Kostenlose Bücher