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Natürliche Selektion (German Edition)

Natürliche Selektion (German Edition)

Titel: Natürliche Selektion (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Anderegg
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ernsthafte Sorgen. Ihr Körper war in die alte Realität zurückgekehrt. Die Schwere ihrer Glieder ließ keinen Zweifel daran. Warum aber wollten ihr das Gesicht, der Duft und die Hände dieses Mannes nicht aus dem Kopf? Das Schlimmste war, dass sie das Gefühl hatte, ihm nachzustellen. Anzeichen einer Zwangsvorstellung, vulgo Zwangsneurose, lautete ihre vernichtende Diagnose.
    Sie widmete dem Ritual der Terminplanung nur geringe Aufmerksamkeit, gerade genug, sich zwei Stunden über Mittag freizuhalten und die Besprechung mit Muehlberg auf morgen zu verschieben.
    »Ist alles in Ordnung?«, fragte Michelle besorgt, bevor sie die Praxis verließ.
    »Ja, klar, alles bestens. Mir geht es gut. Sieht man das nicht?«
    Erschrocken huschte Michelle aus dem Zimmer und zog die Tür so sanft hinter sich zu, dass man nicht den leisesten Klick hörte.
    Eleonora zog widerstrebend die Computertastatur heran und loggte sich ein. Die besprochenen Termine würden in den nächsten Sekunden in ihrem elektronischen Kalender erscheinen, aber das war nicht der Grund, weshalb sie das ungeliebte System befragte. Sie tat etwas, was ihr noch nie eingefallen war, seit sie an dieser Klinik wirkte: sie rief die Seiten der Personalabteilung auf. Simon, Michel , tippte sie in die Felder für die Mitarbeitersuche. Sofort erschien das Blatt mit den allgemein zugänglichen Daten ihres Besuchers auf dem Bildschirm.
     
    Simon, Michel
    Dr. med. Neurologie
    Dr. med. Neurochirurgie
    Abteilung Neurochirurgie
    Oberarzt
     
    Es folgten das Datum des Eintritts, Praxis- und Mailadresse und die interne Telefonnummer. Ein graues Rechteck markierte den Platz für das Foto, das sie ohnehin vor Augen hatte. Zwei Abschlüsse, Eintritt als Oberarzt und blutjung. Sie schüttelte ungläubig den Kopf. »Ein Genie bist du also auch noch«, fuhr sie den Bildschirm an. Wie jung war er wirklich? Sie verwünschte die Diskretion des Systems, schaltete zurück auf die unverfängliche News-Seite und nahm sich vor, den gestrigen Abend so schnell wie möglich zu vergessen. Diesem schmerzhaft attraktiven jungen Arzt mussten die Frauen seiner Generation reihenweise zu Füßen liegen. Zudem war er sowieso längst in fester Hand, verlobt mit einer ebenso umwerfenden höheren Tochter aus bestem Hause.
    Bei diesem Gedanken hörte sie das Wasserzeichen zum ersten Mal reden. Es lachte sie aus und fragte spöttisch: »Und weshalb trägt er keinen Ring?«
    »Merde, lass mich in Ruhe!«, zischte sie laut genug, dass Charlotte es hörte, als die Tür öffnete.
    Sie blieb erschrocken stehen und stammelte: »Wie bitte – der Befund – ich dachte ...«
    Eleonora spielte die Ahnungslose. Wortlos ging sie zum Aktenschrank, schloss ihn auf und zog die Krankengeschichte des Patienten aus Nummer fünf aus der Ablage. »Bringen Sie Dr. Renard das ganze Dossier. Der Befund liegt oben auf«, sagte sie und setzte sich wieder an den Schreibtisch, als hätte sie den bestürzten Gesichtsausdruck der höchst verunsicherten Schwester Charlotte nicht bemerkt. Sie überließ es gerne ihrem Assistenten Edmond Renard, dem leichtlebigen Kreolen aus Martinique, die verwirrte junge Frau zu beruhigen.
    10:25 zeigte die Digitaluhr auf ihrem Bildschirm. Gleichzeitig öffnete sich ein Fenster mit der Ankündigung ihres nächsten Termins. Noch fünf Minuten blieben ihr bis zur Sitzung mit einem ihrer langjährigen Privatpatienten. Fünf Minuten, um ihren Kopf zu leeren und die Notizen der letzten Sitzung zu studieren. Kein Problem unter normalen Umständen, aber nach der Begegnung mit Dr. Dr. Michel Simon war nichts mehr normal, so heftig sie sich auch dagegen sträubte.
    Fünf Minuten nach dem Ende des Gesprächs betrat sie das Haus Babinski im östlichen Zipfel der Klinikstadt. Hier befand sich nicht nur eine der Cafeterias, sondern vor allem beherbergte das Babinski die Abteilung für Neurochirurgie. Sowie sie das Restaurant betrat, erkannte sie den Wahnwitz ihres Unterfangens. Ein verblendeter Teenager war sie, der ihrem Popstar noch auf der Toilette auflauern würde. Was bildete sie sich ein? Sie wusste noch nicht einmal, ob er je hier aufkreuzte. War er überhaupt im Haus? Warum ihn wiedersehen, wenn sie doch das Wasserzeichen unbedingt loswerden wollte? Sie errötete, drehte sich ärgerlich auf ihren hohen Absätzen und wollte das Lokal sogleich wieder verlassen. Ihr Atem stockte, als sie das helle Kichern und fröhliche Geschwätz hörte, das sich dem Eingang näherte. Charlottes fröhliches Geplapper war

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