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Natürliche Selektion (German Edition)

Natürliche Selektion (German Edition)

Titel: Natürliche Selektion (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Anderegg
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Gesichtsausdruck murmelte er: »Nietzsche, hmm? Der Nazi!«
    Seine Verlobte rollte die Augen wie eine verzweifelte Lehrerin. »Schon wieder falsch, mein Schatz. Erstens ist er dreißig Jahre vorher gestorben und zweitens hat er es seiner feinen Schwester Therese Elisabeth Alexandra Förster-Nietzsche zu verdanken, dass sein Nachlass für die Nazipropaganda zurecht gefälscht wurde.«
    »Wie auch immer. Den ersten Teil des Zitats finde ich in Ordnung«, brummte Patrick und tauchte ein Stück Baguette in den pikanten Olivendip.
    Leo ging mit ihrem Teller ans Fenster. Sie bedauerte, dass es zu kühl war, um den Abend auf der Terrasse zu verbringen. Vom Wohnzimmer aus hatte man den Eindruck, die links und rechts von Pinien umrahmten Fliesen führten ins Nichts. Weit unten sah sie den leuchtenden Küstenstreifen und einen Teil des Hafens. Das Azurblau des Meeres hatte sich in glänzendes Nachtblau verwandelt, in dem sich flammend rote Wolken spiegelten. »Genießt ihr auch hin und wieder eure traumhafte Aussicht?«, fragte sie, ohne den Blick von der großartigen Kulisse abzuwenden.
    Patricks Antwort ließ nicht auf sich warten: »Wenn wir gerade nichts Besseres zu tun haben.«
    Sie löste sich schmunzelnd vom Anblick der nächtlichen Küste und begann ungeniert die große Wohnung zu erkunden. Seit ihrer Ankunft hatten sie nur einen kleinen Teil des Hauses, gar nur die Hälfte des Salons, gesehen. Chantal verstand den Wink, stand auf und folgte ihr. »Die Männer möchten vielleicht eine Weile unter sich sein«, sagte sie leise zu ihrer Gastgeberin, um sich für ihre Neugier zu entschuldigen. »Ich glaube, die Sache mit René beschäftigt die beiden mehr als sie zugeben.«
    Chantal nickte eifrig. »Patrick war total deprimiert, als er es mir erzählte.« Nach kurzem Zögern fügte sie nachdenklich hinzu. »Ich hatte fast den Eindruck, er fürchte sich vor dem gleichen Schicksal.«
    Leo zog es vor, zu schweigen. Ein offener Durchgang führte in einen zweiten, kleineren Teil des Salons. »Ein Musikzimmer«, rief sie erstaunt. Ein Flügel stand in der Mitte des Raums. Es lagen keine Notenblätter auf dem schwarzen Lack. Das Instrument sah verwaist aus, eher ein auf Hochglanz poliertes Ausstellungsstück, als ein Mitglied der Familie. »Spielst du Klavier?«, fragte sie dennoch.
    »Nein, auch das ist ein Erbstück. Meine Mutter war gut. Ich hab’s nicht über zwei Jahre Violinunterricht gebracht. Patrick setzt sich ab und zu hin und spielt vom Blatt.«
    An der Wand gegenüber dem Fenster befand sich ein Büchergestell. Darin entdeckte sie einige Notenhefte. Sie stutzte, als sie sah, was sie enthielten. »Das spielt er vom Blatt?«, fragte sie ungläubig.
    Chantal nickte. »Erstaunlich, nicht wahr?«
    Reichlich untertrieben , dachte sie. Die Hefte enthielten Sammlungen der Etüden und Nocturnes von Chopin, die zum Schwierigsten gehörten, was die Klavierliteratur hergab. Das hatte sie in jahrelangen Fingerübungen mühsam lernen müssen. »Genial«, murmelte sie bewundernd.
    »Nicht so genial, wenn du zuhörst«, lächelte sie. »Er trifft die Noten zwar problemlos, aber das Klavier singt nicht, wenn du verstehst, was ich meine. Er gibt es selbst zu. Für ihn sind die Stücke einfach eine Aneinanderreihung von Akkorden, aber Musik hört er nicht dabei. Sehr seltsam. Manchmal macht mir sein Genie ein wenig Angst.«
    »Wie die Wörter deines Poeten, die keine Sätze ergeben«, lachte Leo. Der Vergleich hinkte zwar merklich, aber ihr fiel nichts Besseres ein, um Chantals diffuse Ängste zu zerstreuen.
    Auf einen Schlag wurde es draußen taghell und ein durchdringender Pfeifton zerriss die Stille. Sie zuckte unwillkürlich zusammen, hielt die Hand vor die geblendeten Augen. »Was ist los?«, fragte sie erschrocken.
    Chantal blieb die Ruhe selbst. »Keine Sorge, ist nur die Alarmanlage. Falscher Alarm wie immer, nehme ich an.« Sie schaute aus dem Fenster und schüttelte den Kopf. »Kein Wunder. Was macht Patrick da?« Dann eilte sie in den Flur, um den Alarm abzustellen. Leos Augen hatten sich an das grelle Licht gewöhnt. Patrick stand tatsächlich am Rand der Terrasse, einen schweren Golfschläger in der Hand. Er schritt langsam hin und her, beobachtete die Umgebung. Der schmerzhafte Pfeifton verstummte und er kehrte langsam zum Haus zurück. Nach ein paar Sekunden erlosch auch das Blendlicht. Der Spuk war vorbei.
    »Was war denn das? «, fragte sie Patrick, als sie in den Salon zurückkehrte. Er stand, noch immer mit dem Eisen

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