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Natürliche Selektion (German Edition)

Natürliche Selektion (German Edition)

Titel: Natürliche Selektion (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Anderegg
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sein eingefrorenes Lächeln Patrick gegenüber reichlich gequält wirkte. Der Mann stand offensichtlich unter großem Druck der Geschäftsleitung. Patrick konnte sich vorstellen, was der Direktor, der vornehme Monsieur d’Armagnac, seinem Ingenieur beim überstürzten Briefing eingeschärft hatte. »Kein Wort ist besser als ein falsches«, gehörte bestimmt auch diesmal zu seinen hilfreichen Ratschlägen. D’Armagnac hatte ihn bei früheren Inspektionen fürchten gelernt, doch Patrick ließ das alles kalt. Sein Job war nicht, Personalpolitik zu betreiben. Er war einfach hier, um die Sicherheit der höchst komplexen Anlagen zu überprüfen und Schaden zu vermeiden. Wenigstens war es ihm gelungen, den Direktor davon abzubringen, sie auf der Besichtigung der Baustelle zu begleiten. Das sparte Zeit.
    Sie standen in der neuen Halle mit den Anreicherungs-Kaskaden, die auf den ersten Blick an eine futuristische Ölraffinerie erinnerte. Zwei lange Reihen golden schimmernder Zylinder, verbunden durch ein Gewirr verschlungener Stahlrohre, waren bereits installiert. Der Bauleiter berichtete sichtlich stolz von der Fertigstellung der ersten Kaskaden mit den neuen Gaszentrifugen. Bald könnten die Tests anlaufen. Höchste Zeit, die veraltete Gasdiffusionsanlage, die zwei Drittel des hier produzierten Stroms verschwendete, zu ersetzen. Die neuen Zentrifugen würden fünfzigmal weniger Energie fressen. »Vorausgesetzt, die ASN gibt das O. K. dazu«, fügte er schnell mit verbindlichem Lächeln hinzu.
    Patrick hatte in dieser Halle genug gesehen. »Ich verstehe, hier läuft alles nach Plan, Monsieur, aber wie sieht es an der Schnittstelle zur Konversion aus?« Die Hochgeschwindigkeitszentrifugen mit ihrem Röhrensystem waren sozusagen aus einem Guss gefertigt. Nicht sie betrachtete er in diesem Fall als größtes Risiko. Ihn interessierte die Schnittstelle zum alten Teil der Fabrik, wo das angereicherte Hex zu Uranoxyd für neue Brennstäbe umgewandelt und das Gas mit dem ›verbrauchten‹ Uran entsorgt wurden.
    Der Bauleiter führte ihn in ein angrenzendes, älteres Gebäude. Der Teil der Halle, wo man an den neuen Installationen arbeitete, war durch Plastikbahnen notdürftig vom Rest getrennt, einer chemischen Fabrik, die ununterbrochen weiter produzieren musste. Der Ingenieur zeigte lächelnd auf einen Stapel verpackter Bauteile und sagte: »Ich nehme an, Sie interessieren sich vor allem für die neuen Dichtungen.«
    Patrick öffnete wortlos eine der Kisten und untersuchte den Inhalt eingehend. Die Teile und ihre Artikelbezeichnung entsprachen genau den Angaben im anonymen Dossier. »Wann sind diese Dichtungen geliefert worden?«, fragte er, während er sich die Seriennummern notierte.
    »Vor zwei Wochen. Wir hatten Glück, dass diese Firma sofort einspringen konnte, sonst wäre ...«
    »Ist mir bekannt«, unterbrach er. »Ich möchte alle Unterlagen dieses Zulieferers, von der Offerte bis zu den Lieferscheinen.«
    »Selbstverständlich, Monsieur, die Dokumente sind Teil des Dossiers, das wir Ihnen zusammengestellt haben.«
    »Gut, ich habe genug gesehen. Bringen Sie mich bitte in mein Büro zurück.«
    Nicht zum ersten Mal saß er im kleinen Sitzungszimmer auf der Direktionsetage des Verwaltungsgebäudes. Neben dem PC, mit dem er ohne Einschränkung auf das interne Netz zugreifen konnte, stapelten sich ein Dutzend Ordner mit den verlangten Dokumenten. Arbeit für Wochen für ein ganzes Team von Ingenieuren und Wissenschaftlern, aber er wusste genau, wonach er suchte. Vom Fenster neben dem Schreibtisch überblickte er einen Teil der riesigen Nuklearanlage Tricastin bei Pierrelatte im Rhonetal, zu der die Wiederaufbereitungsanlage von Eurodif gehörte. Die Betonwüste eines Hochsicherheitsgefängnisses, in der die dampfenden Schlote der beiden Kühltürme die einzige willkommene Abwechslung boten. Das 650 Hektaren umfassende Tricastin war eines der weltweit wichtigsten Zentren für Nukleartechnologie. Die Inspektoren der ASN, und damit auch Patrick, waren daher häufige, wenn auch ungeliebte, Gäste. Er kannte mittlerweile jedes Gebäude, jede Grube, jedes Lager und wohl jeden neuralgischen Punkt der vier großen Druckwasserreaktoren.
    Er verschwendete keinen weiteren Blick aus dem Fenster, sondern suchte sofort den Ordner mit der Korrespondenz des Zulieferers, um den es ihm ging. Blitzschnell, und doch peinlich genau, verglich er die Qualitätsmerkmale und Testreihen der Ventile aus der Offerte mit den Papieren aus dem

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