Neal Asher - Skinner-Der blaue Tod
zurück.
»Dort drüben finden Sie frisches Wasser!«, rief Erlin, als Janer trübe seine Umgebung musterte. Er ging zu dem Fass an der Rückwand der Vorderkabine hinüber und trank mehrere Schöpfkellen voll. Das Wasser schmeckte kupferhaltig und beschleunigte die Wirkung der Detoxpillen in seinem Magen. Auf einmal fühlte er sich heiter und glücklich, und ihm kam der Gedanke, dass das Wasser vielleicht auch Restalkohol aus dem Magen ins Blut spülte. Er starrte zu Erlin hinauf, die ihn über das Geländer gebeugt betrachtete.
»Wohin fahren wir?«, fragte er, als er sich schließlich in der Lage fühlte, etwas zu sagen.
»Zum Sargassum«, erklärte sie ihm. »Dem letzten bekannten Aufenthaltsort des Mannes, dessentwegen ich hergekommen bin: Kapitän Ambel.«
»Oh.« Janer unterbrach das Gespräch, um eine weitere Schöpfkelle voll Wasser zu trinken, und sah sich dann auf dem Deck um. »Wo steckt Keech?«
Erlin zuckte die Achseln. »Ist seines Weges gezogen, soweit ich es verstanden habe. Er war heute Morgen nicht mehr im Hotel, hatte jedoch eine Nachricht hinterlassen, derzufolge er sich um bestimmte Dinge kümmern muss und wir uns vielleicht irgendwann wiederbegegnen. Ich denke, damit haben wir ihn zum letzten Mal gesehen.«
»Wie schade; er war interessant«, sagte Janer und erinnerte sich an etwas, das die Schwarmintelligenz gesagt hatte. Er legte die Schöpfkelle ins Fass zurück und sah sich erneut um, ehe er fragte: »Was ist ein Sargassum?«
»Ein Ort, wo die Turbul zur Fortpflanzung zusammenkommen«, mischte sich Käpten Ron ein, der hinter Erlin auftauchte.
Erlin musterte Janer mitfühlend. »Es ist ein Gebiet, wo Seerohr und Seenesseln so dicht wachsen, dass sie regelrechte Inseln bilden. Turbul sind eine Art Fisch, und sie legen ihre Nymphen an der Unterseite dieser Inseln ab. Zu dieser Jahreszeit fahren die Schiffshooper immer dort hinaus, um Turbul zu ernten«, erläuterte sie.
»Ernten?«, fragte Janer, der sich verschwommen an ein früheres Gespräch erinnerte.
Erlin lächelte, drehte sich zu Ron um und sagte etwas zu ihm, ging dann zur Vorderdecksleiter und stieg herunter, um näher an Janer zu kommen. Sie nahm ihn mit einer Miene in Augenschein, die amüsiertes Mitgefühl ausdrückte, und deutete dann zum Heck.
»Roach fangt gerade für unser Mittagessen Boxys mit der Handleine. Kommen Sie, ich zeige es Ihnen, und vielleicht verstehen Sie es dann allmählich.«
Janer folgte ihr und umging dabei den Kopf des Segels weiträumig. Er sah jetzt, dass die Kreatur nicht nur über irgendwelche unsichtbaren Verbindungen die Vorder- und Achtermasten steuerte, sondern auch die Tuchsegel durch Taue bediente, die sie in einigen ihrer Spinnenklauen hielt. Janer ließ den Blick über das gesamte Schiff schweifen und schätzte es auf mindestens 50 Meter Länge und auf 15 Meter Breite. Nur wenige Besatzungsmitglieder waren zu sehen, aber da er nichts von Segelschiffen verstand, hatte er auch keine Ahnung, wie viele Personen man brauchte, um eines zu bedienen. Und er wusste ebenfalls nicht, wie viele möglicherweise auf Grund dieser unheimlichsten aller Takelagen überflüssigwaren.
Roach war ein kleiner, zerlumpter Hooper, der eine verstohlene Art an sich hatte. Er saß an einer Stelle ohne Reling wie ein Haufen schmutziger Kleider an der Bordkante. Kurz blickte er zu Erlin und Janer auf und holte die Leine ein, die er ins Meer hatte hängen lassen. Am anderen Ende hing ein Boxy, den Roach vom Haken nahm und in den Holzeimer neben sich warf. Boxy war ein passender Name für diese Art Fisch, fand Janer: Er war violett und weiß und würfelförmig und hatte vorne Augen und hinten einen Schwanz.
Erlin deutete auf die schon gefangenen Boxys und fragte Roach: »Macht es dir was aus?« Roach machte für einen Moment ein schlaues Gesicht, als fragte er sich, was er für einen dieser Fische kriegen konnte. Dann blickte er jedoch zum Kapitän hinüber, überlegte kurz und machte eine unverbindliche Geste. Erlin nahm einen Fisch zur Hand.
Zu Janer sagte sie: »Die Lebensformen von Spatterjay haben sich entwickelt, um zu überleben, dass sie den Blutegeln als Speise dienen – dass ihr Fleisch von den Blutegeln geerntet wird.« Sie griff mit dem Finger hinter ein Auge des Boxys, krümmte ihn und zog. Die an der breiten Stelle des kleinen dreieckigen Kopfes sitzenden Augen, die Wirbelsäule, der Sack mit den inneren Organen und der Schwanz kamen zum Vorschein. Sie wurden von Erlin aus dem Fleischwürfel
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