Nebel ueber Oxford
hören, doch dann fügte sie locker hinzu: »Und wenn ihr Lust habt, du und Kate, dann könnt ihr uns gerne einmal in unserem Haus in Frankreich besuchen. Wir hoffen, dass wir viel Besuch bekommen, wenn die Renovierungsarbeiten erst einmal abgeschlossen sind. Das Haus liegt einfach wunderschön in der Nähe von Aix-en-Provence, und wir haben dort sehr viel Platz. Es würde euch sicher gefallen.«
»Bestimmt«, bestätigte er und bemühte sich, auch den kleinsten Anflug von Neid aus seiner Stimme zu verbannen. »Aber erst einmal sollten wir einen Termin für euren Besuch in Oxford ausmachen.«
Später überlegte Jon, ob er sich getäuscht hatte. Er und Susie hatten sich vor einigen Jahren einvernehmlich getrennt, doch im Verlauf des Gesprächs hatte er immer wieder den Eindruck gehabt, dass sie sich nach ihrer früheren Beziehung zurücksehnte. Aber nein, eigentlich konnte das nicht sein: Schließlich hatte sie Gary und Freddie. Was sollte sie da mit Jon? Er erinnerte sich, dass Susie schon immer eine Frau gewesen war, die für ihr Leben gern flirtete – und zwar mit jedem Mann, der sich anbot. Es hatte nichts zu bedeuten. So war sie nun einmal.
Kapitel 10
»Na, wie war dein Tag?« Jon öffnete den Kühlschrank und schenkte Kate und sich ein großzügig bemessenes Glas Weißwein ein. Dabei summte er vor sich hin.
»Mal besser, mal schlechter«, antwortete Kate und dachte dabei an ihren Besuch bei Emma und einen unergiebigen Nachmittag vor einem leeren Computerbildschirm.
»Hier, trink erst einmal ein Glas. Ich bin sicher, du hast es dir redlich verdient. Soll ich mich um das Abendessen kümmern?«
»Aber eigentlich bin ich heute an der Reihe.«
»Das macht doch nichts.«
»Danke«, sagte Kate. Ihr fiel auf, dass er fröhlicher war als sonst. »Haben wir etwas zu feiern?«
»Mir scheint, ich habe eine Lösungsmöglichkeit für ein bestimmtes Problem gefunden.«
Vielleicht war dies ein guter Zeitpunkt, ihr eigenes Anliegen unterzubringen, dachte Kate. »Würde es dir Spaß machen, für ein paar Tage zu verreisen?«, fragte sie.
»Wohin soll es denn gehen?« Jon klang nicht sonderlich enthusiastisch.
»Irgendwohin, wo wahrer Luxus herrscht. Zum Beispiel in ein Landhotel, wo wir vor dem Abendessen lange Spaziergänge machen und unseren Kaffee vor einem knisternden, offenen Feuer trinken können.«
»Das klingt aber ganz schön extravagant. Warum nehmen wir nicht etwas weniger Anspruchsvolles?«
»Weil das nicht Sinn der Sache ist.«
»Was für ein Sinn?«
»Nun, irgendwo ganz Besonderes hinzufahren. Die eingefahrenen Gleise zu verlassen. Etwas einfach nur aus Spaß zu tun. Ich dachte an höchstens zwei Tage, und es muss auch nicht unbedingt auf dem Land sein, wenn du keine Lust dazu hast. Wir könnten nach London fahren, fürstlich speisen, die besten Plätze im Theater aussuchen und im Hotel übernachten. Uns eben einfach ein ganz besonderes Vergnügen gönnen.«
Jon blickte sie mit leicht gerunzelter Stirn an, als ob sie eine fremde Sprache spreche. »Den Sinn verstehe ich noch immer nicht«, sagte er.
»Ich möchte irgendwohin, wo ich mir keine Sorgen um explodierende Sprengsätze am Ende der Straße machen muss, die meine Freunde verletzen.«
»Du übertreibst, Kate. Erstens war es nicht am Ende der Straße, und zweitens wurde niemand verletzt.«
»Okay, vergiss es.« Sie hatte das Gefühl, dass »Spaß« für Jon ein Fremdwort war.
Während er mit äußerster Akribie eine Zwiebel würfelte, sagte er beiläufig: »Nach dem Essen würde ich mir das leerstehende Zimmer gern einmal näher ansehen.«
»Leerstehend?«
»Na ja, ich meine das Zimmer nach hinten hinaus, wo wir den überflüssigen Krempel untergebracht haben.«
»Und wieso?«
»Einfach so. Aber eigentlich hast du recht, wir könnten an irgendeinem Wochenende auch mal etwas anderes tun. Aber dafür brauchen wir Oxford doch nicht zu verlassen, oder?« Er blinzelte und nieste. »Die Zwiebel«, erklärte er.
»Hm.«
Es war fast zehn Uhr, als Jon wieder im Wohnzimmer auftauchte. Eine dünne Staubschicht lag auf seinem verschwitzten Gesicht. Kate hatte das regelmäßige Poltern treppauf, treppab geflissentlich überhört und fragte nun beiläufig: »Hat alles geklappt?«
»Ich bin fast fertig.«
»Nach einer solchen Anstrengung kannst du das hier sicher gut brauchen.« Sie reichte ihm ein frisches, mit kühlem Wein gefülltes Glas.
»Vielen Dank.«
Auf dem Weg zum Sofa fiel ihm auf, dass auch seine Kleider staubig waren, und so
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