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Nebelflut (German Edition)

Nebelflut (German Edition)

Titel: Nebelflut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine d’Arachart
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er überleben?«
    »Ich denke schon.«
    Als sei das sein Stichwort, sprang Jerzy auf. »Wer von euch hat diesen Dreck mitgebracht?« Er brüllte die Worte regelrecht und schob gleich etwas auf Polnisch nach. Dann verfiel er wieder ins Englische: »Verpisst euch, los! Raus mit euch!« Er packte die Blondine mit dem verschmierten Lippenstift an den Schultern und stieß sie in Richtung Tür. Gemeinsam mit den anderen verließ sie den Raum.
    Patrick wandte den Blick ab und widmete sich wieder dem Junkie, der sich langsam zu erholen schien. Sein Gesicht hatte eine normale Farbe angenommen und er hatte die Augen geöffnet. Orientierungslos blickte er im Zimmer umher. Jerzy ließ sich auf die durchgelegene Matratze fallen und lehnte sich schwer gegen die Wand.
    »Diese ganze Scheiße … Diese ganze Scheiße, verdammt.« Der Pole schloss die Augen und wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn.
    Erst jetzt nahm Patrick den säuerlichen Geruch wahr, der im Zimmer hing. Unwillkürlich fragte er sich, ob alle, die eben noch hier gewesen waren, in dem kleinen Raum lebten. Ob Silvester für sie ein Abend wie jeder andere war, mit zu viel Alkohol, Drogen und Fernsehen. Dann sagte er sich, dass das nicht sein Problem war.
    Er fühlte erneut den Puls von Jerzys Cousin. Dieser entzog ihm seinen Arm, setzte sich mühsam auf und musterte Patrick misstrauisch. Vielleicht merkte er erst jetzt, dass ein Fremder anwesend war.
    »Fühlen Sie sich besser?«
    Jerzy übersetzte seine Worte, der Junkie zögerte, dann nickte er.
    »Gut.« Patrick wandte sich an Jerzy. »Behalt ihn im Auge. Wenn das Naloxon nachlässt, können sich die Symptome wieder verschlimmern.«
    »Kannst du uns nicht was davon hier lassen?«
    »Damit ihr mich die Zulassung kostet?« Patrick schüttelte den Kopf und begann seine Ausrüstung wieder einzupacken.
    »Komm schon!« Jerzy richtete sich auf und hielt Patrick am Arm fest. »Weißt du, wie viel Gramm Koks ich hier hab? Ich bin vorbestraft, verstehst du? Ich kann ihm keinen Notarzt rufen, wenn’s wieder schlimmer wird, sonst hätte ich das eben schon getan.«
    »Du wirst ihn wohl kaum sterben lassen.«
    Patrick sah Jerzy in die Augen, doch alles was er darin entdeckte, war eine stumpfe Entschlossenheit. Auf Drogenhandel stand eine Mindeststrafe von zehn Jahren und die Verhältnisse in irischen Gefängnissen waren mehr als berüchtigt. Eine Einlieferung nach Mountjoy galt gemeinhin als Todesstrafe, denn es kam nicht gerade selten vor, dass Häftlinge tot in ihren Zellen gefunden wurden. Blut mochte dicker als Wasser sein, doch Jerzys Angst vor einer Haftstrafe schien die Verbundenheit zu seinem Cousin deutlich zu übertreffen.
    »Scheiße, lass mir einfach die angefangene Ampulle hier. Keiner erfährt was, ich schwör es dir.«
    Patrick traute Jerzy nicht, aber er wollte auch nicht den Tod des jungen Mannes verantworten. »Gut, von mir aus. Aber du schuldest mir was.«
    »Alles, was du willst.«
    Patrick sah hinter sich. Die Tür war immer noch geschlossen, dahinter war alles still. Vielleicht hatten sich Jerzys Freunde in die Küche verzogen, vielleicht waren sie gegangen. »Alles, was ich will, ja?«
    »Ja. Sag ich doch.« Jerzy blickte ihn an wie ein Hund, der nur darauf wartete, dass man das Stöckchen warf.
    »Besorg mir eine Knarre.«
    Die Mundwinkel des Dealers zuckten. »Was?«
    »Du hast schon richtig gehört.«
    Jerzys Lippen verzogen sich zu einem unsicheren Grinsen. »Auf was für einem Trip bist du?«
    »Ich habe eine kleine Tochter. Ich will sie verteidigen können.«
    »Gegen wen?«
    Was sollte er sagen? Gegen den großen Unbekannten, der seine Schwester auf dem Gewissen hatte? Gegen die unheimliche Bedrohung, die sich seit Weihnachten wie ein Schmutzfilm über sein Leben legte? Gegen sich selbst, weil er sich weniger und weniger über den Weg traute? »Das geht dich einen Scheiß an.«
    Jerzy zuckte die Achseln. »Wie du meinst. Jedem Gentleman seine Shillelagh . Aber kein Wort zu absolut niemandem, klar?« Er hielt ihm die Hand hin und Patrick schlug ein, auch wenn er das Gefühl hatte, dass ihn der Handschlag mit einem Kriminellen selbst zu einem machte.

-26-
    Als Patrick zurück nach Malahide kam, war Mitternacht längst vorbei. Er blieb noch ein paar Minuten im Auto sitzen, starrte das hell erleuchtete Haus der Mackenzies an, dann sein eigenes, das ein paar Meter weiter im Dunklen lag. Tammie schlief vermutlich längst und zwar hoffentlich in Sophies Schlafzimmer, in ihrem

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