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Nebelschleier

Titel: Nebelschleier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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allen zu und nahm einen großen Schluck. Zwar versuchten die anderen Gäste, ihre Gesprächsfäden wieder aufzunehmen, doch es wollte nicht so recht gelingen, und ab und an legte sich ein peinliches Schweigen über die Runde. Nur Paola war noch zu hören, die Georg jetzt aufgekratzt schilderte, wie erfolgreich ihr Abend verlaufen war.
    »Sagt mal, was seid ihr denn für ein trauriger Verein? Da sind ja meine ollen englischen Rentner besser drauf!«, unterbrach sie sich, als wieder so ein Augenblick der Stille eintrat. »Hier ist ja eine Stimmung wie auf dem Friedhof! Trinkt, seid lustig – da müssen wir noch bald genug hin.«
    Sie leerte ihr Glas in einem Zug und stand auf, um sich am Tresen Nachschub zu holen.
    »Noch ein Bier, Giorgio?«
    Angermüller nickte und sah die Blicke, die die um ihn herum Sitzenden sich zuwarfen, und sofort tat Paola ihm leid. Im Gegensatz zu ihm wussten die anderen ja nicht, wie es in ihr aussah, dass sie schon den ganzen, anstrengenden Tag über die Tapfere spielte, weil sie sich nichts anmerken lassen durfte vor den Gästen, dem Personal. Und jetzt schien sie einen verzweifelten Versuch zu unternehmen, die schrecklichen Dinge zu vergessen, die passiert waren. Er erhob sich, um ihr zum Tresen zu folgen.
    »Sie sollte besser nichts mehr trinken, Schorsch. Ich glaube nicht, dass ihr und uns das guttut.«
    Bea stand neben ihm.
    »Ich kümmer mich drum. Das ist einfach alles zu viel für sie.«
    »Wenn du meinst. Auf jeden Fall ist es eindeutig zu viel Alkohol für sie«, antwortete Bea trocken.
    »Na Schwesterherz, was willst du von meinem lieben Giorgio? Nicht dass du ihn bezirzt mit deinen Zauberkünsten! Ich weiß, dass du ihm schon auf dem Friedhof aufgelauert hast und er heute Nachmittag in deiner Hexenküche war.«
    Mit ihrem Wein und einem Bier stand Paola vor ihnen und grinste. Bea hob nur die Brauen und antwortete nicht. Dann ging sie zurück an ihren Platz.
    »Oh, hab ich was Falsches gesagt?«
    Bea hatte recht. Ihre Schwester sollte wirklich nichts mehr trinken. Es tat ihr nicht gut und sie verdarb allen anderen die Stimmung. Er nahm ihr die Gläser ab.
    »Wir sollten lieber gehen, Paola. Ich bring dich nach Hause. Du hast bestimmt morgen auch wieder einen anstrengenden Tag vor dir.«
    »Ja, das stimmt. Du bist immer so vernünftig, Giorgio! Das liebe ich so an dir.«
    Sie gingen in Richtung Tresen, wo Angermüller die vollen Gläser zurückstellte.
    »Auf deine Vernunft und deine Zuverlässigkeit, Giorgio! Darauf müssen wir doch noch einen letzten Schluck nehmen!«
    Ehe er es verhindern konnte, hatte Paola sich das Glas Rotwein gegriffen und trank es in einem Zug leer. Sie sah ihn versonnen an.
    »Mein getreuer Giorgio.«
    Angermüller, dem ihre Komplimente peinlich waren, lächelte unsicher und ging ihre Jacken holen. Er gab Rosi Bescheid, dass er gleich wieder zurückkommen würde, und trat mit Paola in die kalte Nachtluft. Kaum hatten sie das Hofcafé verlassen, wurde sie still, ihre vermeintliche Hochstimmung war verflogen. Er merkte, dass sie fror, und legte seinen Arm um sie.
    »Fast wie früher, wenn du mich nach Hause gebracht hast«, sagte sie leise und drückte sich an ihn.
    Sie gingen eine Weile schweigend. Paola schwankte leicht. Plötzlich blieb sie stehen.
    »Mir ist auf einmal so komisch. Entschuldige!«
    Sie machte sich los und übergab sich in den Straßengraben. Als es vorbei war, reichte Angermüller ihr ein Taschentuch.
    »Und? Wie geht’s dir jetzt?«
    »Im Magen auf jeden Fall besser. Mein Kopf tut nur schrecklich weh.«
    Er hakte sie unter, sie zitterte und schien ein wenig unsicher auf den Beinen zu sein.
    »Ich hab wohl ein bisschen zu viel getrunken«, meinte sie kleinlaut.
    In Steinleins Landgasthof brannte nur noch das Nachtlicht. Angermüller brachte Paola bis in ihre Wohnung und fühlte sich dabei nicht besonders wohl.
    »Kann ich noch etwas für dich tun?«, fragte er, kaum dass sie im Flur waren, und versuchte, einen distanzierten Ton anzuschlagen. Paola sah blass aus und unter den Augen hatte sie dunkle Ringe, aber sie sagte: »Danke, du bist lieb. Ich schaff das allein.« Auch ihr war es offensichtlich recht, wenn er gleich wieder ging. »Ich leg mich sofort ins Bett, dann geht’s mir morgen früh bestimmt wieder besser.«
    »Na dann: Gute Besserung und schlaf gut!«
    »Gute Nacht, Georg. Danke.«
    Erleichtert verließ er ihre Wohnung und machte sich auf den Weg zurück zum Sturms-Hof. Dabei dachte er über Paolas Verhalten auf dem Fest

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