Nebenwirkungen (German Edition)
gut sichtbaren Postfächer: 312, Pauls Zimmernummer. Der einfache Trick funktionierte erstaunlich oft. Der Korridor war leer, als er im dritten Stock vorsichtig an der mit Schlangenreliefs und Mosaik verzierten Holztür horchte. Er hörte eine männliche Stimme. Wie es schien, führte Paul ein Telefongespräch. Nils schaute sich um und zog sich ins nahe Treppenhaus zurück. Von hier aus konnte er Pauls Tür beobachten, ohne gesehen zu werden. Er brauchte nicht lange zu warten, bis Paul in den Korridor trat und sich in Richtung der Aufzüge entfernte. Die Tür ließ sich wie erwartet leicht öffnen und kaum drei Minuten, nachdem Paul das Zimmer verlassen hatte, stand Nils vor dem kleinen Schreibtisch. Aufmerksam schaute er sich um. Die Reisetasche stand achtlos hingeworfen auf dem Bett. Sie enthielt nichts, was ihn interessierte. Paul hatte noch keine Schränke und Schubfächer belegt. Das Zimmer war so gut wie unbenutzt. Er nahm sich das große Badezimmer vor, inspizierte den Toilettenbeutel minutiös. Nichts. Als er eben die zugefallene Tür zum Wohnbereich wieder aufstoßen wollte, hörte er das Geräusch von Schritten. Jemand war im Zimmer.
Verdammter Mist , ärgerte er sich. Paul durfte ihn hier nicht wie einen Anfänger erwischen, und er durfte ihn keinesfalls ausschalten. Sein Auftrag war, herauszufinden, was Paul hier in Sun City machte und zu verhindern, dass gewisse Informationen über BiosynQ weiter verbreitet wurden. Ins Geräusch der Schritte mischte sich metallisches Klappern. Das Radio wurde eingeschaltet. Popmusik plärrte aus den Lautsprechern. Nils spähte vorsichtig durch den Türspalt und atmete erleichtert auf, als er einen schwarzen Rockzipfel, schwarz bestrumpfte Beine und flache, abgenutzte Schuhe sah. Selenruhig trat er ins Wohnzimmer und sagte zum verdutzten Hausmädchen:
»Machen Sie ruhig weiter.«
»Verzeihung – ich wusste nicht – komme später wieder«, stammelte sie und wollte eilig das Zimmer verlassen.
»Bleiben Sie ruhig. Sie stören mich gar nicht. Ich werde sowieso gleich gehen.« Bevor er seine erfolglose Suche abbrach, ließ er seinen Blick nochmals rasch durchs Zimmer schweifen. Auf einem der Nachttischchen lag ein Zettel neben dem Telefon. Er nahm das voll geschriebene Blatt, versuchte zu entziffern, was das Gekritzel zu bedeuten hatte. In der Mitte des Blatts konnte er deutlich den dick, mehrfach eingerahmten Namen ›Jessica Reed‹ lesen. Erst als er den Zettel umdrehte stand da deutlich lesbar ›18h Palm Ct.‹. Er konnte sich denken, was das bedeutete. Mit befriedigtem Grinsen verließ er das Zimmer, nicht ohne sich freundlich vom Hausmädchen zu verabschieden. Die Empfangsdame wusste nichts von einer Jessica Reed. Wer war diese Jessica Reed? Ein romantisches Stelldichein? Wohl kaum. Er musste unbedingt wissen, was die beiden zu besprechen hatten.
Gegen sechs Uhr abends saß er an einem kleinen Tisch in der exotisch dekorierten Palm Court Lounge des Hotels, halb verdeckt von einer der reich verzierten Säulen. Er beachtete das üppige Grün und das in der Abendsonne glitzernde Wasser des künstlich angelegten Dschungels vor den Panoramafenstern nicht. Seine Aufmerksamkeit galt dem Eingang der Lounge, den Leuten, die langsam die Hocker an der Bar zu besetzen begannen. Sein auffallend weißes Haar hatte er so gut es ging unter einer Golfmütze versteckt und die große Sonnenbrille auf der Nase verdeckte seine Augen soweit, dass Paul ihn später nicht wieder erkennen würde, sollte er ihm trotz aller Vorsicht hier auffallen.
Paul betrat die Bar. Er schaute sich um, entdeckte offenbar nicht, was er suchte, setzte sich an die Theke und bestellte einen Gin Tonic.
»Für mich auch, danke«, sagte eine wohlklingende Stimme hinter ihm. Eine attraktive, schlanke Brünette von vielleicht dreißig Jahren lachte dem verwirrten Paul ins Gesicht. »Sie sind doch Mr. Dumas, nehme ich an?«
»Ja, in der Tat«, antwortete er etwas allzu förmlich. »Dann müssen Sie Miss Jessica Reed sein?«
Sie nickte. »Mrs., um genau zu sein.«
»Oh, Verzeihung, ich ... «
Sie unterbrach ihn. »Kein Unglück. Das passiert mir häufig. Helfen Sie mir lieber auf diesen verflixten Hocker.« Die Frau mit dem zierlichen, kleinen Mädchenkörper hielt ihm ihre Hand hin und er half ihr artig auf den hohen Sessel.
»Sie sind also Journalist. Ein Berufskollege aus Frankreich?«, fragte sie nachdem sie an ihrem Drink genippt hatte. Dabei musterte sie ihn mit unverhohlener Skepsis. Paul hielt ihrem
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