Nebenwirkungen (German Edition)
Blick eine Weile stand, dann lächelte er verlegen wie ein Schüler, der bei einer Ausrede ertappt wurde. Langsam schüttelte er den Kopf und sagte:
»Sie haben mich durchschaut, ich gestehe. Ich bin Biologe und arbeite mit einer Kollegin im Grenzgebiet von Botswana an einem Malariaprojekt. Wir sind außerordentlich beunruhigt über die neuste Entwicklung in dieser Gegend, wo das Sumpffieber als so gut wie ausgerottet galt. Ich hoffte, dass Sie mir zusätzliche Informationen geben können. Sie sind mir doch nicht allzu böse?«
»Quatsch, ich habe Ihnen die Geschichte am Telefon sowieso nicht abgekauft.« Als sie seine zerknirschte und besorgte Miene sah, lachte sie laut. »Keine Angst ich werde schon nicht davonlaufen. Ihr Projekt in Botswana interessiert mich wirklich. Aber können wir uns nicht an einem bequemeren Platz unterhalten?« Sie setzten sich an einen der Tische am Fenster und bestellten als Vorwand für die sündhaft teure Flasche Rudera eine Kleinigkeit zu essen. Da sie sich wirklich dafür zu interessieren schien, erzählte Paul ihr von seiner Arbeit in Botswana, ohne allerdings genauer auf die Art der Forschung einzugehen, die sie dort betrieben. Als der Name der Firma BiosynQ fiel, wurde sie hellhörig. Sie schaute ihn durchdringend an, als sie mit überraschend scharfem Ton fragte:
»Sie arbeiten für BiosynQ, auf dem Versuchsgelände von BiosynQ an der Grenze?«
»Ja und nein«, antwortete er verblüfft. »Ich meine, ja, wir benutzen dieses Gelände, aber wir sind Forscher der Universität Heidelberg. Wir arbeiten nicht für BiosynQ.«
»Entschuldigen Sie. Ich war nur etwas erstaunt, dass diese Anlage wieder in Betrieb ist.«
»Das müssen Sie mir erklären«, entgegnete Paul verständnislos.
»Dieser Konzern hat hier keinen sehr guten Namen, müssen Sie wissen. Vor gut einem Jahr sind in der Grenzregion böse Gerüchte über ziemlich menschenverachtende Versuche im Zusammenhang mit dieser Forschungsstation verbreitet worden. Ich habe damals selbst einige Zeit recherchiert, doch die Geschichte verlief im Sand. Ich bin ziemlich sicher, dass entsprechende Fäden an höherer Stelle gezogen wurden. BiosynQ scheint ein ziemlich mächtiger Konzern zu sein. Erzählen Sie mir alles, was Sie wissen.« Sie warf ihm mit ihren großen, dunklen Augen einen verführerischen Blick zu und wartete. Paul war sehr nachdenklich geworden. Er hatte ein Stück der Wahrheit mit eigenen Augen gesehen, doch wie viel sollte er dieser unbekannten Journalistin erzählen? Konnte er ihr trauen? Doch seine Zurückhaltung schwand mit dem Wein in der Flasche. Nachdem ihn die forsche Journalistin freimütig sowohl über die Ergebnisse ihrer damaligen Recherche, als auch über die aktuelle Ausbreitung der Malaria informiert hatte, begann er zu erzählen. Er berichtete ihr alles, was er über die damaligen offenbar fehlgeschlagenen Experimente von BiosynQ wusste, vergaß auch den kürzlichen Anschlag nicht zu erwähnen; und den Jungen, der die Männer gehört und einen am Fenster gesehen hatte, bevor er verschüttet wurde.
»Was ist mit dem kleinen Jungen?«, fragte sie besorgt.
»Es geht ihm gut. Er hat sich erstaunlich schnell erholt. Er muss zwar noch einige Zeit im Spital bleiben, doch er wird es überstehen. Ich besuche ihn so oft es geht; ein zäher Junge.«
Draußen war es längst dunkel geworden. Der Dschungel jedoch erstrahlte im Licht der geschickt verhüllten Scheinwerfer wie die romantische Kulisse eines Abenteuerfilms. Afrika für Laien. Als Paul und Mrs. Reed die Lounge verlassen hatten, bemerkten sie nicht, dass ihnen ein großer Mann in sicherem Abstand folgte. Nils hatte genug gehört. BiosynQ hatte noch ein paar Probleme, deren er sich dringend annehmen musste. Das erste hatte eben die Bar verlassen.
Paul hatte eine unruhige Nacht hinter sich. Die Unterhaltung mit der Journalistin hatte die beklemmende Vorgeschichte der alten Mine wieder deutlich in Erinnerung gerufen und die gegenwärtigen Ereignisse in den Hintergrund gedrängt. Doch jetzt war es Zeit, seine eigentliche Arbeit hier in Südafrika zu beenden. Er hatte genug erfahren und wusste nun, dass die Mückenplage und damit die Ausbreitung der Malaria hier ebenso schlimm waren wie im Süden Botswanas. Er bezahlte seine Rechnung, ließ den Jeep kommen und fuhr nordwärts zu seinem ersten Messgerät. Der Schnelltest ließ sich einfach genug durchführen, sodass er gleich damit begann, die gesammelten Mückenbestände auszuwerten, als er alle drei
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