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Nebenwirkungen (German Edition)

Nebenwirkungen (German Edition)

Titel: Nebenwirkungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Anderegg
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haben früher manchmal dort gespielt.« Robert übersetzte die Antwort für Katie, die einen Stossseufzer der Erleichterung ausstieß. Er musste in dieser Höhle sein, das spürte sie. Der Junge zeigte ihnen den Weg zur Höhle, ein schmaler Fußpfad, der sich verdeckt durch die Büsche, etwa bis zur Mitte des Abhangs empor wand.
    »War sonst noch jemand hier seit meinem letzten Besuch?«, wollte Robert wissen.
    »Nein, niemand.« Das war immerhin beruhigend. Erleichtert marschierten sie los.
    Sie hatten wohl etwa zwei Drittel des Wegs zurückgelegt, als sie den Eingang der Höhle bemerkten. Katie begann zu rufen. Die letzten paar Meter rannte sie den Abhang hinauf. Kurz bevor sie die Höhle erreichte, trat Nyack mit breitem Grinsen aus dem Schatten. Mit Tränen in den Augen breitete Katie wortlos die Arme aus und der Junge fiel ihr stürmisch um den Hals. Tau beobachtete die Szene aufgeregt, tänzelte kreischend zwischen ihnen hin und her und wusste nicht, wen er zuerst bespringen sollte. Robert klopfte Nyack zur Begrüßung auf die Schulter und sagte anerkennend:
    »Ein ausgezeichnetes Versteck, aber jetzt brauchst du keine Angst mehr zu haben.«
    »Du hast sicher Hunger«, meinte Katie und gab ihrem Schützling die Banane, die sie zu diesem Zweck eingesteckt hatte. Augenblicklich wusste der kleine Tau ganz genau, wo sein Platz war. Im Nu hatte er Nyack die halbe Frucht entwendet und verzehrte sie mit offensichtlichem Hochgenuss. Katie lachte erleichtert. Die Welt war wieder in Ordnung, beinahe in Ordnung. Jetzt mussten noch die beiden Kinder des Dorfs versorgt werden. Sie wollten eben wieder den Pfad hinunter steigen, als Nyack innehielt und ihnen bedeutete, still zu sein. Er hatte etwas gehört. Sie lauschten angestrengt. Jetzt hörten sie es auch: entfernter Motorenlärm. Das Geräusch kam rasch näher.
    Mist , dachte Robert. Er hatte das Fernglas im Wagen gelassen. Vorsichtig beobachteten sie das Tal durch die Büsche. Sie mussten nicht lange warten, bis sie ein großes Geländefahrzeug um den Felsvorsprung biegen und auf das Dorf zuschießen sahen.
    »Ein Hummer«, sagte Robert nachdenklich. »Das bedeutet nichts Gutes.« Was auf den ersten Blick wie ein Armeefahrzeug aussah, war wohl eher das Gefährt dubioser Gesellen. Robert hatte bei früheren Aufenthalten in anderen Regionen Afrikas mehr als einmal unliebsame Bekanntschaft mit Banditen gemacht, doch was hatten solche Banden hier zu suchen? Sie brauchten nicht lange zu warten, bis sie entsetzliche Gewissheit hatten. Plötzlich geschah alles sehr schnell. Der Hummer hielt unmittelbar vor dem Dorf abrupt an. Vier Männer in einer Art Uniform mit großen Rucksäcken sprangen aus dem Wagen. Jeder rannte zu einer Hütte und im nächsten Augenblick schossen gleißende Feuerstrahlen in die Häuser. Die heißen Flammen setzten die trockenen Dächer und das Innere der bescheidenen Behausungen sofort in Brand. Noch bevor die vom Schock gelähmten Beobachter realisierten, was vor sich ging, stand das halbe Dorf lichterloh in Flammen. Beißender schwarzer Qualm stieg in den bis vor kurzem noch friedlichen wolkenlosen Himmel.
    »Flammenwerfer«, ächzte Robert entsetzt. »Mein Gott, sie brennen alles nieder.« Er konnte nicht glauben, was er hier sah. Die Kerle stampften unbeirrt von Haus zu Haus und spieen ihr todbringendes Feuer. Als Katie endlich ihre Stimme wieder gefunden hatte, schrie sie verzweifelt:
    »Die Kinder! Sie verbrennen!« Sie sprang auf, wollte losrennen, doch Robert hielt sie zurück, zog sie behutsam, aber bestimmt wieder hinter die Büsche in Deckung.
    »Katie, bitte, wir können jetzt nicht helfen. Wir bringen uns höchstens selbst in größte Gefahr, wenn sie uns bemerken«, doch sie ließ sich nicht beruhigen. Wütend fauchte sie:
    »Sie werden uns sowieso finden, sobald sie den Wagen gesehen haben. Wir können doch nicht untätig zusehen, wie sie die beiden umbringen!« Robert wusste, dass sie recht hatte, doch es war ihm ebenso klar, dass sie keine Möglichkeit hatten, diese Wahnsinnigen zu stoppen. Was tun? Ein kurzer gellender Schrei löste das Dilemma auf grauenvolle Weise. Der erste der Brandschatzer war bei der Hütte der Kinder angekommen, hatte Roberts Wagen gesehen und sofort abgedrückt, als die zwei Bewohner aus der Hütte rannten. Der tödliche Feuerstrahl traf den Jungen frontal, erstickte seinen markerschütternden Schrei und schleuderte ihn brutal zu Boden, eine rauchende menschliche Fackel. Das Mädchen war den Flammen entkommen

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