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Nebenwirkungen (German Edition)

Nebenwirkungen (German Edition)

Titel: Nebenwirkungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Anderegg
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dachte, er habe sie zur Verarbeitung seines Traumas erfunden.« Jetzt machte sie sich schwere Vorwürfe. Robert versuchte, sie zu beruhigen:
    »Wir sollten uns nicht in etwas hinein steigern. Es ist aber gut möglich, dass der Junge Mr. Nolte gesehen hat und aus Angst davon gelaufen ist. Ich glaube nicht, dass der Mann es tatsächlich auf Nyack abgesehen hat, doch es wäre gut, wenn wir ihn vorher finden würden.«
    »Fragt sich nur wo. Hier ist er nicht, in seinem Dorf ist er nicht. Ich habe keine Ahnung, wo wir ihn noch suchen müssten«, murmelte Katie resigniert.
    Robert überlegte laut: »Schwer vorstellbar, dass er einfach in der Gegend umherirrt. Er muss sich irgendwo in einer Hütte aufhalten, oder in einer Höhle, in einem Versteck. Gibt es eine Höhle in der Nähe?«
    Katie zuckte die Achseln und schaute Mrs. Umangua an, die zusammengesunken am Tisch saß und bis jetzt kein Wort gesagt hatte. Auch sie schüttelte den Kopf, schien alle Hoffnung aufgegeben zu haben.
    »Doch, natürlich, es gibt noch andere Hütten in der Nähe!«, rief Robert plötzlich erregt, sodass Katie überrascht aufschaute. »Das sterbende Dorf, das ich mit Paul besucht habe.« Mrs. Umangua erschrak. Sollte sich ihr Neffe in sein altes Dorf zurückgezogen haben? Da war doch nichts mehr. Da konnte er doch nicht überleben.
    »Bei den Aids-Kranken?«, fragte Katie leise, obwohl sie genau wusste, dass diese Möglichkeit gar nicht so unwahrscheinlich war.
    »Warum nicht? Wir müssen es versuchen.« Sie informierten Paul über Funk und verließen die alte Mine in Roberts Wagen, gefolgt von Mrs. Umanguas hoffnungsvollem Blick und begleitet von ihrem stillen Gebet.
    Unterwegs versuchte Robert ohne große Hoffnung, Spuren des Jungen im Gras zu entdecken, doch die nächtliche Abkühlung, der Tau und die wärmende Morgensonne hatten niedergetretene Halme längst wieder aufgerichtet. Das sterbende Dorf war ihre letzte Chance. Ein Ausruf der Überraschung entfuhr Katie, als sie um den Felsvorsprung bogen und sie das Dorf vor sich liegen sahen. Durch die düsteren Schilderungen der trostlosen Lage hier hatte sie sich ein völlig falsches Bild gemacht. Nicht Tod und Zerstörung, sondern ein geradezu idyllisch an einem See gelegenes Dörfchen sah sie vor sich. Erst auf den zweiten Blick bemerkte sie, dass die meisten Hütten halb verfallen waren, und dass keine Menschenseele zu sehen war. Ihr Herz schlug schneller, als Robert vor der Hütte der beiden Kinder mit der kranken Mutter anhielt. Er klopfte an die Tür und hoffte, die beiden würden seine Stimme wieder erkennen.
    »Hallo, ich bin's, Robert. Habt keine Angst. Ich war schon einmal hier mit Paul. Wir suchen Nyack. Habt ihr ihn gesehen?« Nach einer Weile öffnete sich die Tür einen Spalt.
    »Wer ist die Frau?«
    »Das ist Katie. Sie arbeitet mit Paul zusammen. Dürfen wir reinkommen?« Die Tür wurde ganz aufgestoßen und Robert betrat mit Katie die Hütte. Er sah, dass die beiden allein waren und fragte nach der kranken Mutter.
    »Sie ist vor zwei Wochen gestorben. Wir haben sie begraben«, antwortete der Junge scheinbar unbewegt, als hätte er eine Frage nach dem Wetter beantwortet. Robert warf Katie einen vielsagenden Blick zu. Sie konnte die unglaubliche Stärke und den Überlebenswillen dieser Kinder nur ungläubig staunend bewundern und empfand gleichzeitig unendliches Mitleid mit ihnen. Am liebsten hätte sie beide in die Arme geschlossen und nicht mehr losgelassen, doch sie wusste, dass ihnen so nicht geholfen war. Sie erfuhren, dass die beiden die letzten Überlebenden des Dorfs waren. Nun, da sie alle ihre Verwandten und Bekannten verloren hatten, hielt sie im Grunde nichts mehr an diesem traurigen Ort, doch es war ihr Zuhause, ihr einziges Zuhause. Wo sollten sie sonst hin? Für Robert und Katie war klar, dass sie die beiden mitnehmen würden, sobald sie hier mit der Suche nach Nyack fertig waren. In Mrs. Umanguas Dorf würde man sich bestimmt um die beiden Waisen kümmern. Offenbar kannten die beiden Nyack sehr gut.
    »Ist er hier? Habt ihr ihn gesehen?«, fragte Katie nochmals, und Robert übersetzte.
    »Ja, gestern Abend kam er ganz aufgeregt hierher. Er ist aber nicht lange im Dorf geblieben. Er sagte, er muss sich verstecken.«
    »Verstecken? Kannst du dir vorstellen, wo er sich verstecken wollte?«, fragte Robert, während er Katie aufmunternd zunickte. Sie waren auf der richtigen Spur.
    »Im Felsen. Dort oben gibt es eine große Höhle. Vielleicht ist das sein Versteck. Wir

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