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Nehmt Herrin diesen Kranz - Schacht, A: Nehmt Herrin diesen Kranz

Nehmt Herrin diesen Kranz - Schacht, A: Nehmt Herrin diesen Kranz

Titel: Nehmt Herrin diesen Kranz - Schacht, A: Nehmt Herrin diesen Kranz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Abhandlung, der andere die lateinische Übersetzung dazu. Und er versuchte aus beiden ein sinnvolles Werk in seiner eigenen Sprache herauszuarbeiten.
    Es war unsäglich mühsam, zumal der Übersetzer offensichtlich sehr wenig von der menschlichen Anatomie verstand und recht vage Angaben machte, der maurische Arzt hingegen Wörter verwendete, die Marian nicht zu entschlüsseln in der Lage war.
    Die Kerze auf dem Tisch flackerte in der Zugluft, die durch die geschlossenen Läden drang. Herbstlicher Wind fegte um das Haus, und dann und wann schlug ein Regenschauer an die Fenster. Es war schon lange nach der Komplet, im Haus war
alles bereits zur Ruhe gegangen, und auch in der Stadt draußen herrschte nächtliche Stille.
    Marian legte den Griffel nieder und nahm den Totenschädel zur Hand, den Fabio, sein Lehrer der maurischen Sprache und von Beruf Reliquienhändler, ihm am vergangenen Tag gebracht hatte. Ein beinahe vollständiges Stück, dem lediglich ein paar Zähne fehlten. Braun von Alter und Erdsäften, starrte ihn der Knochenkopf blicklos an.
    »Ich sollte über die Vergänglichkeit brüten, Freund. Oder über das, was du einst warst. Jungfrau, Held, Sklave, Verbrecher – oder Heilige? Mich sollten wohl auch Schauder anfliegen angesichts des Todes, der uns allen gewiss ist. Oder ein schlechtes Gewissen, weil ich deine Ruhe gestört habe. Zumindest aber sollte ich neugierig sein und prüfen, wie die Knochen zusammenspielen, die unser starrköpfiges Hirn behüten.«
    Da ihn aber weder Erschauern noch Gewissenspein anflogen und seine Wissbegier zu dieser späten Stunde erlahmt war, legte er den Schädel wieder hin und reckte sich.
    So ihren eigenen Spielen überlassen hüpften seine Gedanken von einem Kästchen ins nächste, ließen Bilder und Worte wie von Geisterhand geführt auftauchen und blieben an dem Gesicht einer kecken jungen Frau hängen, das Marian wieder einmal das lästige Gefühl vermittelte, eine hakelige Klette habe sich in sein Hemd verirrt, die just an der Stelle an seinem Rücken ein Jucken erzeugte, an der er sich auch mit großer Anstrengung nicht selber kratzen konnte.
    Kurzum, das war lästig. Lästig vor allem, weil der Gedanke an Gislindis sich immer mal wieder einschlich, wenn er es so gar nicht erwartete.

    Das musste aufhören. Und darum begann er nüchtern zu prüfen, warum das so war.
    Er hatte sie seit jenem Treffen vor über einem Monat nur dann und wann auf den Märkten gesehen, wo sie die Dienste ihres Vaters mit frechen kleinen Versen und lebhaftem Röckeschwenken ankündigte. Ihn hatte sie nicht beachtet, aber sie hatte seine Schwester aufgesucht. Was Gislindis ihr erzählt hatte, wusste er nicht, doch da Alyss ihn nicht auf seinen Besuch bei ihr angesprochen hatte, würde sie wohl darüber geschwiegen haben.
    Gut so, denn noch immer befiel ihn ein Unbehagen. Nicht, weil sie keine Nachrichten über Yskalt gehabt und auch bis jetzt nichts Neues herausgefunden hatte, sondern weil er – und das war nun wohl der eigentliche Punkt – von ihr abgewiesen worden war.
    Es kränkte seine Eitelkeit, genau das war es. Er war, ein überheblicher kleiner Geck, zu ihr gegangen und hatte geglaubt, mit ihr ein leichtherziges Liebesspiel beginnen zu können. Sie aber hatte ihn auf vielerlei Ebenen verwirrt. Zum einen, weil sie so gar nicht wie die flatterhafte Gauklerin aufgetreten war, sondern ihn adrett gekleidet in einem reinlichen Häuschen empfangen hatte, zum anderen, weil sie ihm zwar lose Angebote gemacht, aber nichts davon gewährt hatte.
    Was wollte Gislindis wirklich?
    Als er zu dieser Frage kam, klappte er die Folianten energisch zu.
    Wie dumm er war. Die Knochen des Menschen wollte er untersuchen, fragte beständig, wozu sie dienten, wie sie zusammenspielten, warum sie es so und nicht anders taten.

    Alle anderen dagegen schienen es eben so hinzunehmen, dass sie dort saßen, wo Gott sie hinbeordert hatte.
    Darum sollte er sich also auch einmal an seine eigene Nase fassen und fragen, wo Gislindis herkam und warum sie so war, wie sie sich gab. Vielleicht konnte seine Schwester ihm dabei behilflich sein. Mit dem Entschluss, sie am nächsten Tag aufzusuchen, wollte er zu Bett gehen. Doch da hörte er es an der Tür pochen, und als er die Stiege nach unten ging, wies der alte Majordomus den Boten schon zurecht.
    »Lass ihn seine Nachricht überbringen, Hardwin. Ich bin ja noch nicht zu Bett gegangen.«zu
    »Ihr seid der junge Herr, Herr?«
    »Ja, das bin ich. Was gibt es?«zu
    »Ihr sollt

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