Nein! Ich geh nicht zum Seniorentreff! - Ironside, V: Nein! Ich geh nicht zum Seniorentreff! - The Virginia Monologues
Jugend, sich nach außen zu orientieren–, aber wir Oldies sollten doch, wie ein absterbendes Blatt, das sich nach innen rollt, eher weniger reisen oder doch zumindest nicht mehr so weit. Doch wieder einmal zeigt sich hier der beklagenswerte Trend meiner Generation, nicht zugeben zu wollen, dass man sein Haltbarkeitsdatum allmählich überschritten hat. A nstatt sich zu entspannen und die Früchte seiner lebenslangen Schufterei zu genießen, stürzt man sich in ein neues, ein (immer wieder) letztes A benteuer und fliegt, um es mal so auszudrücken, bis zum A bsturz.
Aber sie sind nicht dumm, die Senioren. Man findet nicht viele von ihnen schwitzend mit einem Rucksack durch Europa trampen oder sich in einem Pariser Restaurant als Tellerwäscher oder als Schafhirte in A ustralien das weitere Reisegeld verdienen, wie viele Youngsters in ihren müßigen Jahren, bevor es ernst wird.
Nein, Oldies reisen mit Komfort.
Kreuzfahrten
Auf Kreuzfahrtschiffen wimmelt es nur so von Mumien. A lle wollen sich– bevor sie sterben – noch einmal durch den Kanal von Korinth zwängen, durch den Bosporus schippern, sich die Städte rund ums Mittelmehr ansehen und von der Schönheit der norwegischen Fjorde verzaubern lassen. Schiffsreisen sind überdies ideal für alte Pärchen. Er ist zu alt, um noch selbst am Steuerrad zu stehen und liebt daher nichts mehr, als nach einem üppigen Frühstück mit prallvollem Bauch zufrieden auf dem A chterdeck zu stehen und zuzusehen, wie andere Kerle den A nker hieven oder das Großsegel brassen– oder was immer man auf einem Schiff eben so tut. Und die Frauen können sich derweil in die– gutbestückte– Schiffsbibliothek zurückziehen und nachschlagen, was es auf dem nächsten Landgang für (andere) Ruinen zu besichtigen gibt.
Das Dumme an Kreuzfahrten ist jedoch, dass so viele Senioren genau dieselbe Idee haben. Ich weiß ja nicht, wie es Ihnen geht, aber ich habe keine Lust, mich auf einem schwimmenden Gefängnis mit einer Horde krückenschwingender Mumien einsperren zu lassen. Mit Menschen meines A lters. Ich war mal auf einer Kreuzfahrt– gezwungenermaßen, weil ich eine Lesung halten musste– und stellte fest, dass es auf dem Schiff sogar eine Leichenkammer gab. Und die war, als wir schließlich wieder im heimischen Hafen anlegten, bis zum letzten Kühlfach voll mit Oldies, die es nicht mehr rechtzeitig nach Hause geschafft hatten.
(Im Übrigen habe ich auch keine Lust, in einem Zimmer von der Größe eines Sargs und einem Bett von der Größe eines Federmäppchens zu nächtigen. Ebenso wenig fühle ich mich bemüßigt, freitagnachmittags auf dem Zwischendeck Origami zu lernen oder montags in der Royal Tea Lounge auf dem Promenadendeck Schalbinden– » Entdecken Sie Ihren eigenen Stil! Lernen Sie unter fachgerechter A nleitung das Binden ausgefallener Knoten und das W ickeln raffinierter Schalarrangements«. Himmel, hilf!)
Manche Reedereien haben einen solchen Horror davor, zu schwimmenden Pflegeheimen zu verkommen, dass Sie Ihre Passagiere nötigen, vor A ntritt der Reise ein Papier zu unterschreiben, in dem steht, dass man im V ollbesitz seiner physischen und mentalen Kräfte sei und die Landgänge ohne Schwierigkeiten mitmachen könne. Und wenn dann das graue Heer hinkender, an Krücken gehender Senioren schwankend das Schiff stürmt, glaubt man förmlich die Reederei mit den Zähnen knirschen zu hören, wenn diese Passagiere fröhlich mit ihren Bordkarten winken und behaupten, erst nach Unterzeichnung des Papiers auf einer Bananenschale ausgerutscht zu sein (oder sich einer plötzlichen Hüftoperation hatten unterziehen müssen).
Auch ist der A ufenthalt auf einem Schiff nicht gerade der Bewegung förderlich, denn man hat ja kaum A uslauf. Und man tut nichts als essen, essen und wieder essen, vier Mahlzeiten pro Tag.
Eigentlich heißt es ja, dass Reisen den Horizont weitet. In diesem speziellen Fall weitet es aber auch den Hüftumfang.
Man hat mir von einer alten Dame berichtet, deren Füße in ihren letzten Lebensjahren kaum mehr festes Land berührten. Die kurze Zeit zwischen den Kreuzfahrten verbrachte sie immer in einem Hotel in Portsmouth, wo sie, wie ich vermute, ihren V orrat an Medikamenten und Pillen aufstockte, bevor sie wieder in See stach. ( » Noch ein Bruchband, Lady Bonkers?«, mag der A potheker gesagt haben. » Und die übliche Schiene für Ihren Ballenzeh? Nein, das kostet nichts, Sie sind ja über sechzig. Oh und übrigens, dieser chinesische Hut steht
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