Nein sagen und trotzdem erfolgreich verhandeln: Vom Autor des Harvard-Konzepts (German Edition)
optimistisch.«
Während der Geschäftsführer sich auf Angriff spezialisierte, und der Leiter der Forschungsabteilung zwischen Anpassung und Angriff schwankte, verlegte sich der Finanzchef auf ausweichendes Verhalten. Er hoffte, dass das Problem schon irgendwie verschwinden würde. Aber das geschah nicht, und so endete die Geschichte in einem riesigen Skandal, der schlimme Konsequenzen für alle Beteiligten hatte.
Der Ausweg: Ein positives Nein
Glücklicherweise gibt es einen Ausweg aus dieser Falle. Dazu müssen Sie sich von der allgemeinen Annahme lösen, dass Sie nur zwei Möglichkeiten haben: entweder Macht einzusetzen, um zu bekommen, was Sie wollen (auf Kosten der persönlichen Beziehung), oder die Beziehung zu pflegen (auf Kosten der Macht). Sie können beides gleichzeitig tun: Verwickeln Sie Ihr Gegenüber in eine konstruktive und respektvolle Konfrontation.
Genau das tat ein Mann, den ich John nenne. Er sah sich gezwungen, sich seinem dominanten Vater entgegenzustellen, der gleichzeitig sein Arbeitgeber war. John arbeitete im Familienunternehmen. Er machte viele Überstunden, die ihn von Frau und Kindern fern hielten – sogar im Urlaub. Obwohl John erheblich mehr arbeitete und mehr Verantwortung hatte als seine Kollegen – hierbei handelte es sich um seine drei Schwager –, bezahlte sein Vater jedem das gleiche Gehalt. Sein Vater erklärte, dass er niemanden bevorzugen wolle. John hatte Angst vor einer Auseinandersetzung und beklagte sich nie, obwohl er wegen seiner Überlastung und der ungerechten Behandlung vor Wut schäumte. Schließlich wurde ihm klar, dass sich etwas verändern musste. So nahm er all seinen Mut zusammen und beschloss, für sich selbst einzutreten.
»Bei einer Familienzusammenkunft bat ich Vater um ein Gespräch unter vier Augen. Ich teilte ihm mit, dass ich den kommenden Urlaub mit meiner Familie zusammen verbringen wollte und dass ich keine Überstunden mehr machen würde. Außerdem wies ich ihn darauf hin, dass ich eine angemessene Entlohnung für meine Arbeit erhalten wollte.«
John sprach energisch, aber in respektvollem Ton. Die Antwort des Vaters fiel nicht so aus, wie der Sohn es befürchtet hatte: »Vater nahm es besser auf, als ich erwartet hatte. Ich hatte ja auch nicht versucht, ihm eins auszuwischen, sondern ich wollte einfach nur auf eigenen Beinen stehen, ohne ihm auf die Zehen zu treten – zumindest solange ich es vermeiden konnte. Vielleicht spürte er das: Er erklärte sich mit der Vermeidung von Überstunden einverstanden und kündigte an, zu einem anderen Zeitpunkt mit mir über die finanzielle Vergütung zu sprechen. Ich spürte, dass er einerseits zwar wütend, gleichzeitig aber auch stolz war.«
Vorher war John davon ausgegangen, dass er nur zwischen zwei Alternativen wählen konnte: Entweder er übte seine Macht aus oder er konzentrierte sich auf die Beziehung. Er fürchtete die Missbilligung seines Vaters und so hielt er seine Macht zurück – jahrelang. Er passte sich an und reagierte ausweichend. Als er Nein zu seinem Vater sagte, lernte er, dass es möglich war, seine Macht zu nutzen und gleichzeitig die Beziehung zu erhalten. Das ist das Kernstück eines positiven Neins.
Ein positives Nein ist ein »Ja! Nein. Ja?«
Im Gegensatz zu einem normalen Nein, das mit Nein anfängt und mit Nein aufhört, beginnt und endet ein positives Nein mit Ja.
Nein zu sagen bedeutet zuallererst einmal zu sich selbst Ja zu sagen und das zu schützen oder zu bewahren, was einem wichtig ist. John beschrieb seine Hauptmotivation folgendermaßen: »Ich wollte keine bestimmte Antwort erzielen, obwohl mir natürlich immer noch wichtig war, was mein Vater von mir hielt. Ich sagte Nein, weil ich dachte: Wenn du dich jetzt nicht zur Wehr setzt, verlierst du jede Selbstachtung!« Sein Eröffnungs- Ja brachte John seinem Vater gegenüber folgendermaßen zum Ausdruck: »Meine Familie braucht mich, Vater, und ich möchte den nächsten Urlaub mit ihr zusammen verbringen!«
Dann manifestierte John seinen Standpunkt mit einem sachlichen Nein und setzte eine klare Grenze: »Ich arbeite nicht mehr an den Wochenenden und im Urlaub.«
Und er endete mit einem Ja? – einer Einladung an seinen Gesprächspartner, eine Einigung zu erzielen, die seine Bedürfnisse respektierte. »Ich schlage vor, dass wir eine neue Vereinbarung treffen, damit sämtliche anfallenden Aufgaben im Büro rechtzeitig erledigt werden, ich aber trotzdem die für mich notwendige Zeit mit meiner Familie verbringen
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