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Neonträume: Roman (German Edition)

Neonträume: Roman (German Edition)

Titel: Neonträume: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Minajew
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strahlendes Lächeln. » Entschuldige, ich wurde an der Uni aufgehalten.«
    » Nein, nein, gar nicht«, sage ich, obwohl jeder andere an meiner Stelle jetzt eine spöttische Bemerkung losgelassen hätte. » Kommst du von der Vorlesung?«
    » Nee, ich schwänze mein Seminar«, kichert sie.
    » Klasse!« Ich schmelze dahin wie Butter in der Sonne. Sie ist hinreißend, diese Katja. » Hast du Hunger?«
    » Hm-hm«, nickt sie. » Und wie! Was liest du?«
    » Ach, einen Artikel über so eine neue Telekommunikationstechnik. Da werden die Gespräche der Teilnehmer gescannt, und dann gezielte Werbung geschaltet. Kannst du dir vorstellen, wohin das führt?«
    » Oh! Das ist ja super!«, sagt sie und überfliegt den Artikel. » Was meinst du, was so etwas kosten wird?«
    » Keine Ahnung«, sage ich und lächele dümmlich. Sogar ihre Konsumblindheit kommt mir ganz reizend vor. » Die Chinesen stellen das bestimmt ganz billig her.«
    » Und warum wird so eine Technik bei uns nicht produziert?«, fragt sie, während sie mit gerunzelter Stirn die Speisekarte durchgeht.
    » Auf der Ljublanka gibt’s das bestimmt schon«, antworte ich mechanisch. Ich denke natürlich an den KGB . Katja nicht.
    » Bei Saturn?« Sie schaut für eine Sekunde von der Speisekarte auf.
    » Klar, bei Saturn«, lächele ich.
    Mein Gott, wie schön sie ist! Ich glaube, bei unserer ersten Begegnung ist mir das gar nicht richtig zu Bewusstsein gekommen. Vielleicht habe ich mich ja wirklich verliebt?
    » Ich nehme einen Caesar-Salat, frischgepressten Orangensaft und Spaghetti Carbonara«, verkündet sie.
    » Hm-hm. Ich auch«, sage ich, obwohl ich eigentlich gar keine Lust auf Pasta habe.
    » Erzähl, wie geht’s dir?«, fragt sie und trinkt einen Schluck Kaffee aus meiner Tasse.
    » Ach, irgendwie… geht so«, sage ich. Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich hätte zwar einiges zu erzählen, zum Beispiel die Sache mit dem Geld für Ritas Auto, oder Lenas Heiratspläne, oder wie ich neulich nachts den Namen dieser Braut nicht mehr wusste (extrem lustig!), aber ich denke, das wäre im Moment eher unpassend. Deshalb sage ich einfach:
    » Weißt du, die nächste Nummer ist gerade im Satz, da gibt es noch jede Menge zu tun…«
    » Du hast so eine interessante Arbeit!«, ruft sie lebhaft. » Wahrscheinlich kennst du jeden hier aus der Szene, oder?« Sie macht eine weite Armbewegung durch den Raum. » Wahnsinnig interessant!«
    » Hm-hm«, nicke ich bescheiden.
    In der folgenden halben Stunde geht ein Hagel von Fragen auf mich nieder, die Moskauer Szene betreffend. Dabei essen wir unseren Salat, trinken Mineralwasser, und während ich einsilbig antworte, winkt sie unentwegt irgendwelchen Bekannten zu, liest SMS und wird sogar einmal ein wenig rot, als zwei Jungs in ihrem Alter an uns vorbeigehen (was ich als einen neuerlichen Beweis ihrer rührenden Unverdorbenheit ansehe). Unermüdlich schweift ihr Blick durch den Raum, auf der Suche nach weiteren Bekannten, denen sie lebhaft zuwinken kann, und mehrmals ertappe ich mich bei dem Gedanken, aus welchem Bärenwinkel unseres weiten Landes sie wohl zu uns gekommen ist.
    Dann fange ich an, mich ausgiebig über den allgegenwärtigen Markenwahn auszulassen, das Diktat der Modelabels, Images und Logos, ich breche eine Lanze für die Antiglobalisierung und äußere meine Sympathie für jene Länder, die sich gegen die amerikanische Popkultur zur Wehr setzen, die die ganze Erdkugel in eine Barbie-Welt verwandeln will, und auf einmal sagt Katja einen bemerkenswerten Satz:
    » Ach, weißt du, ich kümmere mich in letzter Zeit überhaupt nicht mehr um so was; wer welche Handtasche hat, wer welche Filme guckt und wer in welche Kneipe geht, weißt du, das interessiert mich nicht mehr. Ich habe andere Prioritäten. Zum Beispiel möchte ich gern promovieren. Ich schaue lieber in mich selbst als auf andere.«
    Dann erzählt sie mir, warum sie den Kontakt zu gewissen Freundinnen abgebrochen hat, beschwert sich über die naiven Vorstellungen der meisten jungen Leute, und wie furchtbar sie das Fernsehprogramm findet. ( » Außer die Musiksendungen, oder Casting-Shows, die schaue ich mir manchmal an.«) Sie lästert über die Jungs aus dem ersten Studienjahr, die alle auf böse Gangsta-Rapper machen, und über die Mädchen, für die es das Höchste ist, mit einem Jungen zusammen zu sein, der sie regelmäßig in die Türkei ausführt (sie benutzt tatsächlich genau dieses Wort) oder der wenigstens ein cooles Handy hat. Und ganz

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