Neonträume: Roman (German Edition)
sich.
» Aus deinem Badezimmerschrank.«
Mal ehrlich, Frauen haben doch echt Chaos im Kopf! Erst häufen sie allen möglichen Krimskrams an, und dann wissen sie nicht mehr, wo sie was hingetan haben!
» Andrej, ich hatte noch nie Festal in meinem Badezimmerschrank. Wo soll das gewesen sein? Hast du etwa…« Sie steht auf und rast ins Bad. Als sie zurückkommt, hält sie mir eine Schachtel unter die Nase. » Ist das dein Festal?«
» Tja, sieht so aus.«
» Andrej, jetzt sag mir die Wahrheit! Wie viel hast du davon genommen?«
» Vier Stück, hab ich doch gerad gesagt.«
» Sag mal, bist du eigentlich völlig verrückt geworden? Das ist mein Perfectil!«
» Aha. Und was ist Perfectil?« Muss ich mir jetzt den Magen auspumpen lassen?
» Weißt du, wie schwer es ist, diese Dinger in Moskau zu kriegen? Diese Kapseln hat mir eine Freundin extra aus London mitgebracht, und du frisst mir eine ganze Wochendosis weg!« Lenas Gesicht ist blass und verzerrt vor Gekränktheit. » Kate Moss, Naomi, alle nehmen das! Du… du…«
» Lena, relax, was ist denn schon passiert?« Ich spüre, wie mein Magen wieder anfängt zu rebellieren. » Was ist das für ein Zeug? Werde ich jetzt davon sterben und als Kate Moss wieder auferstehen?«
» Das ist nicht witzig!«
» Ich hätte gar nichts dagegen!«
» Kristi Tarlington hat Perfectil › my second life‹ genannt.«
» Second life? Das ist doch so ein Internetspiel.«
» Für euch Männer vielleicht, für uns ist es das zweite Leben! Pefectil ist ein spezieller Vitaminkomplex, durch den sich die Haut innerhalb von dreißig Tagen vollkommen regeneriert! Die Nägel brechen nicht mehr, die Haare werden dichter. Aber was erzähle ich dir eigentlich…« Resigniert schüttelt sie den Kopf. » Was ist das bloß für eine blöde Angewohnheit, alles in den Mund zu stecken, was dir in die Hände fällt?«
» Und hilft das auch gegen Lebensmittelvergiftung?«
» Keine Ahnung«, antwortet sie irritiert. Sie holt den Beipackzettel aus der Schachtel und wirft ihn mir hin. » Lies selber!«
» Aha, verstehe. Hilft gegen brüchige Nägel, Spliss und glanzloses Haar, vorzeitige Hautalterung, Dermatosen, Psoriasis und Epilepsie. Was? Gegen Epilepsie hilft das auch?«
Lena reißt mir den Zettel aus der Hand. » Nicht Epilepsie, sondern Alopezie. Das ist Haarausfall.«
» Ach so«, sage ich und streiche mir unwillkürlich über den Hinterkopf.
» Also sei in Zukunft bitte so lieb und frag mich, bevor du irgendwas schluckst. Hörst du? Sonst wirst du demnächst noch meinen Schwangerschaftstest mit Kaugummi verwechseln!«, lacht sie, schon wieder fröhlich.
» Einverstanden«, knurre ich und stelle mich böse.
» Möchtest du noch Marmelade?«, fragt sie und streicht mir über den Kopf. » Du bist wie ein kleines Kind!«
» Die Marmelade ist aber auch überirdisch!«
» Die ist von Mama. Sie macht sie immer noch selbst, kannst du dir das vorstellen?« Sie steckt mir den Löffel in den Mund und lacht wieder.
Von Mamas Marmelade kommen wir in logischer Folgerichtigkeit auf das Thema Hochzeit und Hochzeitsfeierlichkeiten, und ich erzähle, dass man in Amerika darüber erst beim Verlobungsessen reden darf. Das beeindruckt Lena derart, dass ich die Gelegenheit nutzen kann, mit Verweis auf meine Bandprobe, den Rückzug anzutreten. Als wir uns verabschieden, ist sie wie in Zuckerwatte verpackt.
» Wir könnten doch nach deiner Probe noch irgendwohin tanzen gehen«, sagt sie. » Wir waren noch nie zusammen in einem Klub!«
» Honey, I’m a private dancer. Klubs mag ich nicht«, lehne ich ab und schenke ihr ein betrübtes Lächeln.
» Dann lass uns zusammen essen gehen, ja?« Zweiter Versuch.
» Meine Freunde würden es mir nie verzeihen, wenn ich die Proben schwänze. Die reißen mir den Kopf ab. Obwohl, wenn ich ehrlich bin, hab ich gar keine Lust auf die Probe.« Ich fahre mit dem Finger über ihre Lippen.
» Ruf mich an, wenn es klappt. Ich bin heute den ganzen Tag zu Hause. Vielleicht kommt eine Freundin vorbei.«
» Mascha?«
» Nein, eine andere, du kennst sie nicht«, lacht sie. » Wieso denn Mascha?«
» Weil ich Mascha nicht kenne. Also muss es Mascha sein, dachte ich. Ist doch ein schöner Name.«
Zu Hause checke ich meine Mails, lösche gefühlte hundert Spams, beantworte ein paar Kommentare in meinem Blog, ärgere mich mal wieder, weil keine Nachricht von diesem Plattenlabel gekommen ist. Dafür hat Dajew geschrieben:
» Hallo, Andrej! Schon munter? Im Anhang
Weitere Kostenlose Bücher