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Neonträume: Roman (German Edition)

Neonträume: Roman (German Edition)

Titel: Neonträume: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Minajew
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hübsche, etwa dreißigjährige Rothaarige und die andere ist meine Lena.
    Das meint sie also damit: Ich bleibe den ganzen Tag zu Hause und warte, bis du mit deiner Probe fertig bist. Verdammt.
    » Ljocha, ich habe gerade ein kleines Problem«, krächze ich. » Ich muss ganz schnell abtauchen. Deck mich mal ab.«
    » Bist du sauer auf Oxana?«, fragt er.
    » Quatsch! Eine von diesen Frauen, die gerade reingekommen sind, ist meine Freundin.«
    » Na und? Was soll das? Die Damen hier sind die Ehefrauen meiner Geschäftspartner, das regele ich schon, keine Angst!«, brummelt er.
    » Schön und gut, bloß an dem Tisch da hinten, wo ich vorhin gesessen habe, hockt meine zweite Freundin«, zischel ich, während mir schon der kalte Schweiß den Rücken runterläuft.
    » Hau ab!«, flüstert Ljocha, steht auf und steuert auf die beiden Frauen zu. In der Mitte des Raumes befindet sich eine große Loge, die auf zwei Seiten von Vorhängen eingefasst ist. Links davon reihen sich mehrere kleinere Logen hintereinander. In einer davon sitzt Rita. Auf der rechten Seite, direkt an der Wand, stehen vier Tische. Lena und ihre Freundin sind jetzt genau dazwischen, in der Nähe des Ausgangs. Ljocha stürzt auf sie zu, breitet in einer theatralischen Geste die Arme aus und leitet sie in den linken Gang, dorthin, wo die Petersburger sitzen, was mir die Möglichkeit gibt, durch den anderen Gang zu entwischen. In diesem Moment verstummt die Musik und ich höre, wie Ljocha zu Lena sagt: » Da seid ihr ja endlich! Ich dachte schon, ich sehe euch nie wieder!« Lena versteht natürlich überhaupt nicht, was er von ihr will. Irritiert weicht sie vor ihm zurück, während er sie immerzu überschwänglich umarmen will.
    » Wer ist denn das?«, fragen mich die anderen am Tisch.
    » Irgendwelche Frauen«, gebe ich ausweichend zurück, schnappe mein Handy und schleiche– tapp-tapp– auf leisen Pfoten durch den anderen Gang Richtung Tür. Aus den Augenwinkeln sehe ich, dass Ljocha und die beiden Frauen jetzt direkt vor der Loge angekommen sind, in der Rita sitzt. Die drei liefern sich ein aufgeregtes Wortgefecht, die Petersburger sehen neugierig dabei zu, Rita kaut nachdenklich auf ihrer Unterlippe, und auf einmal wummert die Musik wieder los:
    » Hey Girls! Hey Boys! Superstar DJ ’s! Here we go-o-o-o!«, brüllen die Chemical Brothers aus den Boxen.
    Ich entweiche ungesehen auf die Straße, halte das erste Schwarztaxi an, das ich erwischen kann, schmeiße mich auf den Rücksitz, ohne lange über den Fahrpreis zu diskutieren, und atme auf: » Metrostation Sokol!«
    Während der Fahrt schicke ich Rita eine SMS folgenden Inhalts: » Häschen, ich habe furchtbares Nasenbluten. Wahrscheinlich vom Stress. Will nicht, dass man mich so sieht. Montag komme ich deine Sachen abholen. Lbe dich.« Überlege kurz, ob ich das vertippte Wort korrigiere. Entscheide mich dagegen. Scheiß drauf, wir leben im Zeitalter der Abkürzungen. Liebe, lobe, lebe, egal, man verstehe, was man will!
    Erst als ich schon zu Hause bin, fällt mir plötzlich ein, dass ich für die SMS Ritas Nummer nicht aus den Kontakten gewählt habe, sondern aus der Anrufliste, weil ich angenommen hatte, ihre Nummer sei dort die letzte. Mir wird eiskalt. Was, wenn Lena mich angerufen hat, als ich gerade auf dem Klo war, oder als ich mich mit Ljocha unterhalten hab? Vielleicht hab ich das Klingeln ja nicht gehört? Hektisch überprüfe ich meine Anrufliste: Die letzte Rufnummer ist mir vollkommen unbekannt. Ich checke die Liste mit den verschickten SMS und kapiere, dass ich die Nachricht an diese besoffene Pseudo-Cher geschickt habe. Mann, leck mich doch… Erleichtert atme ich auf, kopiere die Nachricht und schicke sie an Rita. Dann ziehe ich meine Jacke aus und gehe ins Wohnzimmer, stecke mir eine Zigarette an, fläze mich aufs Sofa und denke darüber nach, was ich jetzt machen soll: pennen oder noch einen Whisky trinken, oder vorher noch eine SMS an Katja schicken, oder nur pennen, oder mir einen runterholen und dann pennen. Oder vielleicht duschen? Oder nachsehen, ob irgendwo noch ein Krümel rumfliegt?
    Das Handy klingelt. Das Display zeigt Lenas Nummer an. Was hat die mir denn jetzt mitzuteilen? Dass so ein besoffener Typ sie im Shanty angemacht hat? Vermutlich, was sonst? Aber ich bin nicht da, mein Häschen! Tut mir leid! Ich penne tief und fest oder stehe gerade unter der Dusche oder ich nehme gerade Drogen oder… Jedenfalls, ich bin nicht da! Ich bin weg, vom Erdboden verschwunden!

Di

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