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Nephilim

Nephilim

Titel: Nephilim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gesa Schwartz
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immer auf die Energiekapseln an seinem Arm.
    »Laskantin«, murmelte er nachdenklich, und es schien ihm, als würde allein der Name die Bilder heraufbeschwören, die er während der Operation gesehen hatte. »Antonio meinte, dass niemand genau sagen kann, was diese Kraft eigentlich ist.«
    Morpheus lächelte ein wenig. »Und wie so oft hat unser beider Freund auch in diesem Punkt recht. Sie ist das, worum die Engel uns beneiden.«
    »Die Engel beneiden uns?«, fragte Nando leise. »Warum sollten sie das tun?«
    Morpheus’ Blick hing an einem seiner metallenen Roboter, doch er schien ihn kaum wahrzunehmen. Seine Augen wurden eine Spur dunkler, und für einen Moment wirkte sein Gesicht bitter und von schmerzhaftem Zynismus zerfurcht. Dann fuhr er sich über die Augen, wie ein Schleier aus Schmutz fiel der Ausdruck von seinem Gesicht und ließ nichts als Müdigkeit zurück.
    »Diese Kraft«, begann er und betrachtete Nando mit den Augen eines alten Mannes. »Sie ist das, was ihnen fehlt. Manche Legenden sagen, dass sie diese Stärke verloren haben, damals, als sie auf die Erde niederstürzten, andere behaupten, sie hätten sie nie besessen und nur in der Nähe Gottes an ihr teilhaben können. Luzifer, so berichten manche Schriften, beneidete die Menschen darum und erhöhte sich selbst, da er sich weigerte, vor ihnen die Knie zu beugen. Ich weiß nicht, ob Wahrheit in diesen Legenden steckt. Aber sieh sie dir an, die lichtdurchflutete Stadt der Engel, die glorreiche Festung Nhor’ Kharadhin! Kaum ein Sklave des Lichts lebt dort oben, der nicht gleichzeitig Sklave des Laskantin ist, so viel ist sicher.«
    Er schüttelte den Kopf und wollte sich abwenden, doch Nando hielt ihn zurück.
    »Was ist sie?«, fragte er und spürte, wie sein Herz plötzlich schneller schlug. Antonio hatte ihm keine Antwort auf diese Frage gegeben, und nun, da er das Lächeln sah, das sich in Morpheus’ Augen bildete wie eine flackernde Flamme, hatte er das Gefühl, einem Geheimnis auf die Spur gekommen zu sein, das sich nun lüften würde. Doch da schüttelte Morpheus den Kopf.
    »Das wirst du erfahren«, erwiderte er mit plötzlichem Ernst. »So wie jedes Wesen diese Frage nur selbst für sich beantworten kann.«
    Nando neigte den Kopf und erhob sich, angestrengt darum bemüht, sich nichts von seiner Enttäuschung anmerken zu lassen. Ein leichter Schwindel saß ihm im Nacken, aber er fühlte sich weder müde noch erschöpft. Schweigend begleitete Morpheus Kaya und ihn zum Ausgang, vorbei an den reglosen Engeln aus Metall. An der Tür blieb Nando stehen. Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber jedes seiner Worte erschien ihm so gering in Anbetracht dessen, was Morpheus für ihn getan hatte, dass er missmutig die Schultern hängen ließ.
    »Ich möchte dir danken«, sagte er dennoch. »Ich weiß nicht, wie ich es wiedergutmachen kann, aber … «
    Morpheus schüttelte den Kopf. »Lass dich nicht fangen«, sagte er leise. »Weder von den Dämonen der Hölle noch von den Engeln, diesen geflügelten Bastarden des Lichts.«
    Nando nickte und trat hinaus auf die Straße. Kaya flog auf seine Schulter, roter Mohnstaub wehte in dichten Schwaden über das Pflaster. Er holte tief Atem, als die Schleier sanft über seinen linken Arm strichen.
    Nando , hörte er da Morpheus’ Stimme in seinem Kopf und wandte sich um. Ich habe dir gern geholfen, Menschensohn. Und falls du üben möchtest – du bist jederzeit bei mir willkommen.

19
    Die Tage vergingen und wurden zu Wochen. Nando nutzte jeden freien Augenblick, um seine Fertigkeiten im Kampf und in der magischen Kunst zu schulen, sich in die Bücher zu vertiefen oder gemeinsam mit Kaya Morpheus zu besuchen, um dort mit wilder Entschlossenheit gegen die metallenen Engel zu kämpfen. Antonio gab ihm weiterhin Lektionen neben dem regulären Unterricht, und durch das Training bei Drengur begann auch sein Körper, sich zu verändern. Er wurde wendiger und kräftiger, sein Rücken schmerzte nicht mehr unter der Last seiner Schwingen, und er lernte schnell die Fähigkeiten seines neuen Arms zu schätzen, der ihm in Kämpfen ausgezeichnete Dienste leistete. Seit seinem ersten Flug über die Dächer der Stadt, den der Harnisch ihm ermöglicht hatte, war das Fliegen für ihn eine ebenso angenehme wie selbstverständliche Möglichkeit der Fortbewegung geworden, und je stärker er seine Kräfte ausbildete, desto weniger suchte der Teufel ihn in seinen Träumen heim. Doch mitunter, wenn Nando durch das harte

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