Nephilim
einen Heilungszauber in ihren Körper, um den Prozess zu verlangsamen, und sah erleichtert, dass sie gleich darauf ruhiger atmen konnte. Rasch hob er sie hoch und trug sie über das Dach auf das Portal zu.
»Du hast mir das Leben gerettet«, flüsterte sie, als ihr Kopf an seine Schulter sank und ihr die Augen zufielen. »Das hat noch keiner zustande gebracht.«
Nando musste lächeln über den Anflug von Empörung, der in ihrer Stimme mitschwang. Gerade wollte er etwas erwidern, als er das Knirschen von Beton hörte und das leise, keuchende Hecheln hinter sich. Das Blut wich ihm aus dem Kopf. Er breitete die Schwingen aus und raste auf die anderen zu, doch schon hörte er die flammenden Wirbel, die ihm nacheilten.
»Ich bin Harkramar«, brüllte der Dämon hinter ihm, und seine Stimme fegte über das Dach wie ein Sturmwind. »Ich werde euch zerschmettern, ihr jämmerlichen Halbwesen, ich werde euch in der Luft zerreißen, euch, die ihr es gewagt habt, mir entgegenzutreten!«
Im selben Moment stob eine schwarze Wolke über den Rand des Daches auf die Gruppe zu. Nando hörte das Surren der Insekten, er wusste, dass sie ihnen binnen weniger Augenblicke das Fleisch von den Knochen fressen würden. Er landete vor den anderen und legte Noemi in die Arme eines Novizen.
»Flieht!«, rief er, während er herumfuhr und einen Schutzwall gegen die Insekten errichtete, der sich als leicht flimmernde Mauer zwischen Harkramar und den Nephilim erhob. »Er wird euch alle töten, wenn ihr bleibt!«
Wie zur Bestätigung stieß Harkramar ein fürchterliches Heulen aus, das Dach erbebte unter seinen Hieben gegen die Hauswand, mit denen er seine Klauen in den Beton bohrte und sich höher zog. Nando warf einen Blick über die Schulter, er fühlte die Erschütterung, als die Insekten gegen seinen Schutzwall flogen und ihre Körper knackend zerbrachen. Angespannt sah er die Novizen auf das Portal zueilen, doch im nächsten Moment fühlte er sich von einem heftigen Schlag getroffen.
Sein Zauber zerbrach. Beinahe wäre er gefallen, doch schon sah er den Tentakel auf sich niederrasen und wich ihm im letzten Augenblick aus. Er riss sein Schwert herum und trennte den Greifarm vom Leib des Dämons. Ein heiseres Keuchen drang zu ihm herüber, näher nun – viel näher. Schon glitt die rechte Klaue des Wolfs über den Rand des Daches. Die Krallen gruben sich in den Beton, und dann, mit einem Brüllen, das Nando das Haar aus der Stirn fegte, sprang Harkramar zurück auf das Dach. Die Streben des Netzes hatten tiefe Wunden in seinem Fleisch hinterlassen, und nur langsam schloss sich der Wanst und verbarg die verstümmelten Tentakel hinter blutigem schwarzen Fell.
»Du«, zischte Harkramar, und seine Stimme erfüllte die Luft wie das Schwirren zahlloser Hornissen. »Du willst mich wohl zum Narren halten, mich, den Schrecken Razkanthurs! Du bist nichts als ein Mensch, ein Wurm, den ich zerquetschen kann! Ich werde mein Gift durch deinen Körper jagen, ich werde dich in Albträumen versinken lassen, ehe jener dich bekommen wird, der mich beschwor – ich werde dich töten, Teufelssohn, noch ehe er deinen Leib in die Verwesung deines zerrütteten Geistes folgen lässt! Und eines verspreche ich dir: Der Tod, den ich dir schenke, wird schlimmer sein als jede Qual deines Körpers!«
Nando hielt das Schwert umfasst, ein Flammenzauber pulste in seiner linken Faust. Er sah sich von außen, klein und verwundbar vor dem riesigen Wolf, doch er ließ das Bild keine Macht über sich gewinnen. »Uralter Dämon«, erwiderte er und schickte ein Lächeln über seine Lippen, das jeder Kälte Bhroroks Konkurrenz gemacht hätte. »Das bist du doch, nicht wahr?«
Harkramar duckte sich ein wenig, er schlich seitlich um Nando herum, den Kopf tief geneigt, die vorderen Klauen insektenhaft erhoben. »In der Tat«, zischte er. »Das bin ich!«
»Ja«, sagte Nando verständnisvoll. »Du bist nicht nur alt, sondern sicher auch ziemlich gebrechlich.« Er hob leicht die Brauen und hörte, wie Harkramar zornig die Luft einsog. Dann musterte er den Dämon, als sähe er ihn zum ersten Mal. »Armselige Existenz«, sagte er wie in Gedanken. »Nicht einmal einen eigenen Körper hat er dir gegeben. Aber das darfst du wohl nicht mehr erwarten, nicht wahr? Schließlich bist du nichts mehr als der Sklave eines Dieners.«
Mit einem Schrei sprang Harkramar vor. Nando wich seinem Hieb aus, doch der Wolf war schnell, drehte sich um die eigene Achse und schlug seine Zähne tief in
Weitere Kostenlose Bücher