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Nephilim

Nephilim

Titel: Nephilim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gesa Schwartz
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die ihn forttrugen und die Unruhe, die ihn zeit seines Lebens innerlich zerfraß, mit schattenhaften Klauen erstickte.
    » Er wird nicht freiwillig zu Euch kommen«, raunte eine Stimme neben ihm und brachte ihn dazu, den Blick abzuwenden, ihn loszureißen von der verheißungsvollen Finsternis Razkanthurs, die auf ihn wartete und ihn eines Nachts mit dem Klang der schwarzen Posaunen zur Ruhe betten würde.
    »Ich werde ihn nicht darum bitten«, grollte Bhrorok und sah zu, wie die Flammen seines Feuers die Säulen Razkanthurs verschlangen wie Trugbilder einer fernen Welt. »Ich werde ihn dazu zwingen.«
    Er zog die Hand aus dem Feuer und warf der Kreatur einen ärgerlichen Blick zu, weil sie ihn unverwandt anstarrte.
    »Er ist auch … der Tod … «, flüsterte sie und wich zurück, als fürchtete sie, geradewegs in die Flammen geworfen zu werden.
    Doch Bhrorok lächelte eines seiner seltenen Lächeln. »Nein«, erwiderte er lautlos. »Er ist mein Tod.«
    Er murmelte einen Befehl, woraufhin die Flammen aufbrachen und rot flackernde Zungen hervorschnellen ließen. Langsam streckte er die linke Hand aus. Blut klebte unter seinen Nägeln – das Blut des Jungen. Zischend zogen die Flammen über Bhroroks Haut, gruben ihre Zähne in sein Fleisch und leckten den Lebenssaft von seinen Fingern. Kurz meinte er ein gieriges Lachen zu hören, und er nickte bedächtig. Sein Feuer würde das Blut des Jungen bewahren, jede Nuance seines Duftes, bis er bereit war, jenen zu sich zu befehlen.
    Das Licht der Flammen tanzte über sein Gesicht und verzerrte es zu einem unheimlichen Spiel aus Schatten. Reglos betrachtete er das Feuer und grub seine Hände in das Fell seines Wolfs. Nur eine Winzigkeit fehlte ihm, um den Tausendäugigen zu rufen, der ihm den Sohn des Teufels in die Klauen treiben würde, eine Kleinigkeit, kaum der Rede wert. Bhrorok würde sie sich beschaffen. Noch heute Nacht würde er auf die Jagd gehen, auf die Jagd nach ein wenig … Engelsblut.

12
    Nando erwachte von einem hohen Pfeifton. Zuerst wollte er sich auf die andere Seite drehen und weiterschlafen, doch das Pfeifen wurde zunehmend lauter und schließlich so schrill, dass es ihn aus dem Bett trieb. Er stolperte zu seinen Kleidern, die zusammengeknüllt am Boden lagen, riss seine Taschenuhr aus der Weste und stellte den Alarm ab. Aufatmend fuhr er sich durchs Haar. Ein zäher Kopfschmerz puckerte hinter seiner Stirn, und er brauchte einen Moment, um zu wissen, wo er sich befand.
    Er hockte auf einem schmalen, hölzernen Bett. Gelbgoldenes Licht fiel durch das gewölbte Fenster schräg neben ihm und erhellte das kleine Zimmer in der Akademie, in das Antonio ihn nach der Senatssitzung gebracht hatte und in dem er für die Dauer seiner Ausbildung leben sollte. Es war spartanisch eingerichtet. Neben dem Bett befanden sich lediglich ein breiter Schrank, eine Kommode mit Waschschüsseln und Handtüchern und ein Schreibtisch darin. Verschiedene Kleidungsstücke lagen ordentlich gefaltet auf einem Stuhl neben dem Schrank, ebenso wie einige Trainingswaffen: mehrere Messer, ein Dolch und ein schlichtes Schwert. Der Schreibtisch war unter Büchern und Pergamentrollen kaum noch zu sehen, und Nando seufzte, als er daran dachte, dass all das Wissen, das sich in diesen Werken verbarg, in möglichst kurzer Zeit in seinen Kopf gelangen musste. Laut seinem Stundenplan, den Antonio ihm gegeben hatte, würde er in Kampfkunst und Magie unterrichtet werden, bis er die Erste Prüfung ablegen würde, jene Prüfung, die es ihm erlaubte, in höherer Magie ausgebildet zu werden. Er hatte versucht, Näheres über diese Prüfung herauszufinden, aber Antonio hatte sich in Schweigen gehüllt. Sie würde im Nebel der Ovo stattfinden, hatte der Engel gesagt, sämtliche Prüflinge aller Stufen würden sie gemeinsam ablegen – und keine Prüfung würde einer vorigen gleichen, also würde Nando nichts anderes übrig bleiben, als zu lernen und abzuwarten, welche Aufgaben er erfüllen musste, um sie zu bestehen.
    Er seufzte tief und ging zum Fenster. Sein Zimmer befand sich hoch oben im Mal’vranon, so dass er weit über die Dächer der Stadt schauen konnte. Nicht weit von seinem Fenster entfernt erhob sich die Schwarze Brücke, die hinüber zu einem Stalagmiten mit etlichen Tavernen, Restaurants, Kneipen und Bars führte. Flammenviertel nannten die Bewohner Bantoryns diesen Bereich ihrer Stadt, und Nando sah vereinzelt schwankende Nephilim an den Brückenwärtern vorübertorkeln, die in

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