Nesbø, Jo - Harry Hole - 02
Gesprächs im Weltraum erhalten, das gleichzeitig verstummte. Eine W eile saßen sie da und lauschten dem Sternenstaub.
»Harry?«
»Ja?«
»Lassen wir das mit dem Denken. Ich bin dabei.«
»Damit habe ich eigentlich gerechnet, Chef.«
»Ruf mich an, wenn ihr ihn festgenommen habt.«
»O ja, das habe ich vergessen zu sagen. Klip ra ist seit dem Mord an dem Botschafter nicht mehr gesehen worden.«
Dann kam so ein Tag, an dem Harry überhaupt nichts tat.
Malte Kreise aufs Papier und versuchte zu erkennen, ob sie sich glichen.
Jens rief an und erkundigte sic h, wie die Erm ittlungen liefen.
Harry sagte, das seien Staatsgeheimnisse, und Jens verstand das, meinte aber, dass er besser schlafen würde, wenn er wüsste, dass sie einen Hauptverdächtigen hatten. Dann erzählte er einen Witz, den er gerade am Telefon gehört hatte, über einen Gynä -
kologen, der zu einem Kollegen sagte, dass eine seiner Patientinnen eine Klitoris in der Größe eines gepökelten Eisbeins habe. »So groß? «, fragte der Kollege. »Nein«, antwortete der Gynäkologe, »so salzig.«
Jens entschuldigte sich dafür, dass im Finanzmilieu nur schweinische Witze kursierten.
Anschließend versuchte Harry, Nho den W itz zu erzählen, aber ob es nun an Nhos oder an Harrys Englisch lag, auf jeden Fall wurde das Ganze nur peinlich.
Dann ging er zu Liz und fragte sie, ob es in Ordnung sei, wenn er einfach einen Moment bei ihr sitzen würde. Nach einer Weile hatte sie genug von seiner schw eigenden Nähe und bat ihn zu gehen.
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Er aß wieder im Le Boucheron. Der Franzose redete mit ihm Französisch und Harry antwortete lächelnd auf Norwegisch.
Es war beinahe elf Uhr, als er nach Hause kam.
»Sie haben Besuch«, sagte der Wachmann am Empfang.
Harry fuhr m it dem Fahrstuhl nach oben, legte sich am Beckenrand auf den Rücken und hörte das rhythm ische, leise
Platschen von Runas Schwimmzügen.
»Sie müssen nach Hause gehen«, sagte er nach einer W eile.
Sie antwortete nicht und er st and auf und ging die T reppe zu seiner Wohnung hoch.
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KAPITEL 39
Løken reichte Harry das Nachtsichtgerät.
»Alles klar«, sagte er. »Ich kenne die Routine. Der Wachmann setzt sich jetzt ins Häuschen unten an der Einfahrt. Die nächste Runde macht der erst in zwanzig Minuten.«
Sie saßen auf eine m Dachboden in einem Haus, das etwa hundert Meter von Klipras Anwesen entfernt stand. Die Fenster waren vernagelt, doch zwischen zwei Brettern gab es Platz genug für das Sichtgerät. Oder einen Fotoapparat. Zwischen dem Dachboden und Klipras drachenkopf
geschmücktem
Teakhaus lagen eine Reihe nied riger Schuppen, eine Straße und eine hohe, weiße Mauer mit Stacheldraht.
»Kein Problem«, sagte Harry.
»Das einzige Problem in dieser Stadt ist, dass überall Men -
schen sind. Ständig. W ir müssen also herumgehen und hinter dem Schuppen da über die Mauer steigen.«
Er deutete hin und Harry blickte durch das Sichtgerät.
Løken hatte ihn gebeten, enge, dunkle, unauffällige Kleidung zu tragen. Er hatte sich für eine schwarze Jeans und das alte schwarze Joy-Division-T-Shirt entschieden. Beim Anziehen hatte er an Kristin denken
müssen, dass Joy Division das
Einzige war, das er ihr hatte schm
ackhaft machen können.
Vielleicht war damit ja aufgewogen, dass sie mit dem Camel-rauchen aufgehört hatte.
»Legen wir los«, sagte Løken.
Draußen stand die Luft und der Staub schwebte frei über der Schotterstraße. Ein Gruppe Jugendlicher spielte takraw, sie standen im Kreis und hielten m it den Füßen einen kleinen Gummiball in der Luft, so dass ihnen die beiden schwarz gekleideten farangs nicht auffielen. Sie gi ngen über die Straße, 307
verschwanden zwischen den Schuppen und erreichten unbehelligt die Mauer. Der diesige Ab
endhimmel reflektierte das
schmutziggelbe Licht von Millionen kleiner und großer Leucht-reklamen, die es in Bangkok an einem Abend wie diesem nicht dunkel werden ließen. Løken warf seinen kleinen Rucksack über die Mauer und entrollte eine schmale, dünne Gummimatte, die er über den Stacheldraht warf.
»Sie zuerst«, sagte er, stellte sich m it dem Rücken zur W and und machte eine Räuberleiter.
»Und Sie?«
»Machen Sie sich über mich keine Gedanken, los.«
Er half Harry hoch, so dass dies er eine der Stahlstangen oben auf der Mauer zu fassen bekam . Er schwang einen Fuß über die Matte und hörte die Stacheln unte r seinem Schritt am Gummi kratzen, als er das andere Bein herüberzog. Dabei
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