Nesbø, Jo - Harry Hole - 02
gestorben.«
Harry schüttelte den Kopf. »U nd jetzt arbeiten Sie und Løken am gleichen Ort.«
»Zufall.«
»Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit?«
»Die Welt ist klein«, sagte Sanphet.
»LM«, sagte Harry, ehe er austrank. Er murmelte, dass er noch mehr Flüssigkeit brauche, und m achte sich auf die Suche nach Fräulein Ao.
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»Vermissen Sie den Botschafter?« , fragte er, als er sie in der Küche fand. Sie legte S ervietten um Gläser und befestigte sie mit Gummibändern.
Verwundert sah sie ihn an und nickte.
Harry hielt das leere Glas in seinen Händen.
»Wie lange waren Sie beide schon ein Liebespaar?«
Er sah, wie sich ihr kleiner, hübscher Mund öffnete und eine Antwort formte, auf die sich das Hirn noch gar nicht eingestellt hatte, sich wieder schloss und er neut öffnete, wie bei eine m Goldfisch. Als die W ut ihre Augen erreichte und er fast schon eine Ohrfeige erwartete, verlos chen die Funken in ihrem Blick wieder. Stattdessen füllten sich ihre Augen mit Tränen.
»Entschuldigen Sie«, sagte Harry, ohne betroffen zu klingen.
»Sie …«
»Es tut mir leid, aber wir müssen so etwas fragen.«
»Aber ich …«
Sie räusperte sich, hob und senkte die Schultern, als schüttle sie einen bösen Gedanken ab.
»Der Botschafter war verheiratet. Und ich …«
»Sie sind auch verheiratet?«
Harry fasste sie sanft unter den Arm und führte sie von der Küchentür weg. Sie drehte sich zu ihm um . Die W ut kehrte gerade in ihre Augen zurück.
»Hören Sie, Fräulein Ao, de r Botschafter wurde in ein em Motel gefunden. Sie wissen, was das bedeutet. Im Klartext heißt das, dass Sie nicht die Einzige wa ren, die er flachlegte.« E r sah sie an, um zu sehen, welche Wirkung seine Worte auf sie hatten.
»Wir ermitteln in ein em Mordfall. Sie haben keinen Gru nd, diesem Mann gegenüber loyal zu sein, verstehen Sie?«
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Sie wimmerte und ihm wurde be wusst, dass er ihren Arm geschüttelt hatte. Er ließ sie los. Sie sah ihn an. Ihre Pupillen waren groß und schwarz.
»Haben Sie Angst? Ist es das?«
Ihre Brust hob und senkte sich.
»Hilft es Ihnen, wenn ich Ihnen verspreche, dass niem and
davon zu erfahren braucht, wenn es nichts mit dem Mord zu tun hat?«
»Wir waren kein Liebespaar!«
Harry sah sie an, doch das Einzige, was er sah, waren zwei schwarze Pupillen. Er wünschte sich, Nho wäre da.
»O.k. Was macht ein junges Mädc hen wie Sie dann im Auto eines verheirateten Botschafters? Außer ihre Asthmamedizin zu nehmen?«
Harry stellte sein leeres Gl as auf das Tablett und ging. Die Plastikampulle lag im Glas. Es wa r eine idiotische Geste, aber Harry war bereit, idiotische Ma ßnahmen zu ergreifen, dam it endlich etwas geschah. Irgendetwas.
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KAPITEL 17
Elizabeth Dorothea Crumley hatte schlechte Laune.
»Scheiße! Ein Auslän der mit einem Messer im Rücken in einem Motel, keine Fingerabdrücke und kein Verdächtiger, nicht mal eine winzige Spur! Nur Mafia, Em
pfangsdamen, Tonja
Harding und Motelbesitzer. Hab ich was vergessen?«
»Kredithaie«, sagte Rangsan hinter seiner Bangkok Post.
»Die gehören auch zur Mafia«, brummte die Kommissarin.
»Aber nicht der Kredithai, desse n Dienste Botschafter Molnes genutzt hat«, sagte Rangsan.
»Wie meinst du das?«
Rangsan legte seine Zeitung hin.
»Harry, Sie erwähnten, der Fahrer habe ge meint, dass der
Botschafter Schulden bei einem Kredithai hatte. Was macht ein Geldgeber, wenn sein Schuldner tot ist? Er versucht, sein G eld bei den Angehörigen einzutreiben, nicht wahr?«
Liz sah skeptisch aus.
»Warum? Spielschulden sind ei ne persönliche Sache, die haben eigentlich nichts mit der Familie zu tun.«
»Es gibt ab er sicher n och Menschen, denen der Ruf eines Familiennamens etwas wert ist, un d Kredithaie sind Geschäftsleute, sie versuchen natürlich, si ch das Geld dort zu holen, wo sie es bekommen können.«
»Das hört sich aber ziem lich konstruiert an«, sagte Liz und rümpfte die Nase.
Rangsan griff wieder zu seiner Zeitung.
»Trotzdem habe ich die Telefonnummer von Thai Indo Travellers in den letzten drei Tagen dreimal auf der Liste der Anrufe bei Familie Molnes gefunden.«
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Liz ließ ein leises Pfeifen hören, die anderen nickten.
»Was?«, fragte Harry, der m erkte, dass er hier etwas nicht ganz mitbekommen hatte.
»Thai Indo Travellers ist nach außen ein Reisebüro«, erklärte Liz. »Im ersten Stock des Lade ns betreiben sie aber noch ein anderes Geschäft, indem sie Menschen Geld leihen,
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