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Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters

Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters

Titel: Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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darüber war zwar einfach, aber es bestand kein Zweifel.
    Jonathan war sich auch sicher, dass es derselbe Saal war, den sein Großvater vor etwa dreieinhalb Monaten in einem Traum gesehen hatte. Er selbst, in Gestalt von Yonathan, sowie ein junger Mann, der eine Krone trug, waren in diesem Traum auf getreten.
    Das alles konnte kein Zufall sein! Bei dem jungen Mann neben Yonathan musste es sich um Felin handeln. Hatte nicht die Prophezeiung am Springbrunnen im Park angedeutet, dass die kaiserliche Gewalt an Felin, den Sohn Zirgis’, übergehen würde? Da Yonathan auf dem Pergament, und auch in seines Großvaters Traum, neben dem jungen Kaiser stand, sollte er offenbar dessen enger Gefährte – vielleicht sogar Ratgeber – werden. Wenn er Haschevet erst einmal zum Garten der Weisheit gebracht hätte, wäre eine solche Stellung für ihn sicher eine interessante und neue Herausforderung. Vielleicht würde er an der Seite von Felin, dem Kaiser, sogar dem neuen, dem siebten Richter Neschans dienen dürfen. Womöglich würde Yonathan Anteil haben an dem endgültigen Sieg des Lichts über die Finsternis und damit der vollkommenen Heilung Neschans. Nicht dass ihm der Sinn nach Ruhm stand, aber eine solche Aufgabe würde eine große Ehre sein.
    Jonathan hatte eilig seinen Großvater aufgesucht, um ihn bezüglich der alten Handschrift zu befragen. Als William Marshall, der neue Lehrer, den Text auf dem Pergament übersetzt hatte, wollte Jonathan zunächst kaum glauben, dass das Manuskript fast zweitausend Jahre alt sein sollte. Wie konnte es sein, dass dieses braungelbe Blatt eine Schilderung von Ereignissen enthielt, die sich erst viele Jahrhunderte später in seinen Träumen abspielen würden? Wie war es überhaupt in den Besitz der Familie gelangt?
    »Es ist seltsam«, sagte Jonathans Großvater, als er sah, wie ernst seinem Enkel die Angelegenheit war. »Jetzt, wo du so genau fragst, fällt es mir wieder ein. Soweit mir bekannt ist, gab es tatsächlich eine Art Vermächtnis, das unsere Vorfahren einst aus ihrer Heimat in Palästina mitbrachten. Die Überlieferungen darüber gehen allerdings auseinander. Mein Vater behauptete stets, es gebe lediglich eine mündliche Weissagung, dass in ferner Zukunft eine alte Wunde in unserer Familie geheilt würde. Es sollte zu einer Vereinigung – frag mich nicht, welcher Art – kommen, die sich gleichzeitig für viele Menschen als ein großer Segen erweisen würde. Mein Großvater bestand sogar darauf, dass es auch ein schriftliches Vermächtnis hierüber gäbe. Allerdings sei es schon seit langer Zeit verschollen.« Dann fügte der alte Lord hinzu: »Ob dieses Pergament tatsächlich jenes Vermächtnis ist, das kann ich dir nicht sagen, Jonathan. Aber es könnte zumindest so sein.«
    Die Mitteilung versetzte Jonathan in Aufruhr. »Warum hast du mir nie etwas davon erzählt, Großvater?«
    Lord Jabbok zuckte mit den Schultern und erwiderte: »Wie gesagt, ich weiß ja nicht einmal, worum es sich bei diesem Vermächtnis überhaupt handelt. Wahrscheinlich ist es nur eine Phantasterei unserer Vorfahren. Ich habe es nicht für wichtig gehalten.«
    Nicht für wichtig! Die »unwichtigen« Schilderungen seinesGroßvaters passten auffällig gut zu den Überlegungen, die er selbst schon über den Ursprung der alten Handschrift angestellt und auch mit Mister Marshall erörtert hatte. Was, wenn er nun wirklich ein Nachfahre jener Frau war, von der die alte Prophezeiung sprach? Ihr Spross, hieß es darin, würde ihr Werk vollenden und einer Welt, die in Tränen liegt, zu immer währendem Trost verhelfen.
    Jonathan betrachtete das braun gesprenkelte, brüchige Schriftstück wie einen kostbaren Schatz. »Und du bist dir sicher«, fragte er seinen Großvater, »dass du mir das Pergament immer noch überlassen willst?«
    »Ich habe dir doch gesagt, dass du sowieso einmal alles erben wirst, was mir gehört. Behalt es nur, aber behandle es pfleglich!«
    »Das werde ich bestimmt, Großvater.« Jonathan strich vorsichtig über das uralte Manuskript, das er so merkwürdigen Umständen verdankte. Wenn nicht rein zufällig sein Blick auf das alte Geschäftsbuch gefallen wäre…
    In diesem Moment blitzte ein Gedanke durch sein Gehirn. »Großvater!«
    »Was ist, Jonathan?«
    »Ich habe das Pergament doch aus dem Hauptbuch des Jahres 1707 gezogen, nicht wahr? Es war der 1. Mai 1707.«
    »Ich verstehe nicht, worauf du hinauswillst.«
    »Trat an diesem Tag nicht der Act of Union in Kraft, das Abkommen, das

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