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Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters

Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters

Titel: Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Vergangenheit: wie Navran ihm den Dolch gegeben und er den Wetzstein durchgeschnitten hatte; und später, in der Höhle am Ewigen Wehr, als er die Klinge in die Felsnadel grub – damals war die Situation ähnlich dringend.
    Aber der Dolch hing am eisernen Riegel fest und ließ sich nicht bewegen.
    »Geht’s nicht ein bisschen schneller?«, erkundigte sich Yomi.
    Yonathan verdrehte die Augen himmelwärts. »Ruhe, Yomi!« Er ließ ein Stoßgebet folgen. Dann dachte er nur noch an das Schloss und an sein fernes Ziel, das weit hinter dieser trotzigen Tür lag – Gan Mischpad.
    Und mit einem Mal gab der widerspenstige Riegel nach. Gerade so, als würde man einen rot glühenden Schürhaken in Schnee stecken, ließ das Schloss jeden Widerstand fahren. Yonathan zerrte an dem Griff der schweren Tür, hilfreiche Hände unterstützten ihn und das dicke Holz begann sich zu bewegen. Glücklicherweise lautlos: Die Angeln waren gut geschmiert.
    »Sie gibt nach!«, rief Yomi erleichtert.
    »Schnell, hinaus!«, trieb Gimbar seine Freunde an. »Der Wächter macht gerade den Wagen bei der Schenke fest.« Dann huschte sein Schatten wieder einige Schritte zurück.
    »Was macht er denn jetzt noch?«, flüsterte Yomi verzweifelt.
    Gimbar schleuderte etwas in die Dunkelheit; ein leises Klimpern folgte. Dann war Gimbar wieder bei seinen Gefährten.
    »Ihr seid ja immer noch nicht draußen!«
    Gimbar schob die Freunde energisch durch die Tür. Gemeinsam zogen sie das Stadttor ins Schloss.
    »Auch das noch!«, stöhnte Gimbar.
    »Was ist jetzt schon wieder?«
    »Die Tür bleibt nicht mehr zu.«
    »Dann klemm einen Stein darunter«, schlug Felin vor.
    »Hast du zufällig einen in der Tasche?«
    »Nein.«
    »Macht nichts. Wir haben sowieso keine Zeit mehr, die Tür noch mal zu öffnen. Ich höre schon die Schritte des Nachtwächters.«
    Tatsächlich war bereits ein leises Schlurfen zu vernehmen. Deutlich konnte man hören, wie er sich Schritt für Schritt die Steintreppe zur Wachstube emporschleppte, dann ertönte ein leises Klirren, gefolgt von dem erstaunten Ausruf: »Da bist du ja!«
    Gimbar, am Türgriff hängend, lächelte zufrieden; die fragenden Blicke seiner Gefährten verschluckte die Dunkelheit. Sie lauschten weiter.
    »Du böses kleines Schlüsselchen!«, schalt der Nachtwächter. »Ich habe dich schon den ganzen Abend gesucht. Wo hast du dich nur herumgetrieben?« Und nach einer kurzen Pause, dievon mühsamem Ächzen gefüllt wurde (wahrscheinlich bückte sich der alte Mann nach dem im Lampenlicht blitzenden Ausreißer): »Nicht auszudenken, wenn dein Brüderchen von der Stadttür ausgerissen wäre! Da könnte ja jedermann in Beli-Mekesch ein und aus gehen. Ich glaube, ich werde langsam zu alt für diesen Posten – nur gut, dass es niemand weiß. Gleich morgen früh…«
    Das Klappen der Wachstubentür beendete den dahinplätschernden Redestrom. Stille beherrschte wieder den Ort, der noch eben von so emsiger Heimlichkeit erfüllt gewesen war.
    Gimbar atmete hörbar aus. »Puh, das wäre geschafft! Jetzt lasst uns die Tür festklemmen und dann nichts wie weg von hier.«
    »Sprach der Meisterdieb und ward nicht mehr gesehen«, fügte Yomi spöttisch hinzu.
    Schnell hatte sich ein scharfkantiges Stück Feldspat gefunden, das für den breiten Schlitz unter der Stadttür wie geschaffen war.
    »So«, bemerkte Gimbar zufrieden, nachdem der flache Stein so unter der Tür festgeklemmt worden war, dass sie sich nicht mehr von der Stelle rührte. »Wenn wir Glück haben, wird der Wächter morgen früh die Tür aufsperren und gar nicht merken, dass der Zapfen im Schloss fehlt. Er wird mürrisch vor sich hin fluchen, dass ein Stein die Tür verklemmt hat, und frühestens beim abendlichen Zuschließen bemerken, dass sich nicht alles in ordnungsgemäßem Zustand befindet.«
    »Du redest wie ein Hofbeamter«, bemerkte Felin.
    »Tja, Prinz, wie sagt doch der Weise? ›Lass deine Zunge tanzen und ich sage dir, auf wessen Fest du sie nährtest.‹«
    Yonathan mahnte zum Aufbruch.
    »Ganz genau«, pflichtete Yomi bei. »Jetzt bist du wieder gefragt, Felin. Wirst du die Stelle finden, an der Baltan uns einholen wollte?«
    »Das Gebiet hinter Beli-Mekesch gehört zwar nicht zu meinen Jagdgründen – schon gar nicht bei Nacht –, aber ich denke, ihr müsst euch nicht sorgen.«
     
     
Der Zweimalgeborene
     
    Die Dunkelheit wich nur langsam dem Drängen des neuen Tages. Immerhin war seit dem Aufbruch von der Ostmauer Beli-Mekeschs nicht viel Zeit

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