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Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters

Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters

Titel: Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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endlich ins Haus. Ich kann es kaum erwarten eure Geschichten zu hören.«
    Jegliche Befangenheit war nun vergessen. Nur Gimbar zeigte noch einen Rest von Etikette, als er den beiden Damen mit eleganter Geste den Vortritt gewährte. Von Schelima erntete er dafür ein verächtliches Schnauben. Wie eine Familie, deren Mitglieder sich nach langer Zeit endlich wieder gefunden haben, zog die Gruppe zum großen, weißen, runden Haus hinauf.
    Kein Zweifel, so mussten Könige leben. Für einige Stunden vergaß Yonathan all die Strapazen und Mühen der vergangenen Wochen und selbst die Last seines Auftrags rückte während dieser Zeit ein ganz klein wenig in den Hintergrund.
    Nach einem ausgiebigen Bad, das die drei Gefährten in einem großen, steinernen Becken nahmen, fanden sie sich mit Baltan, Scheli und Schelima an einer langen Tafel ein, die über und über mit herrlichen Speisen beladen war.
    Weit draußen tauchte die Sonne in die Cedan-Sümpfe ein und verbreitete in den Dunstschwaden, die dort emporstiegen, ein märchenhaftes Licht. Anfangs eilten die beiden Damen des Hauses nervös zwischen Küche und Speisesaal hin und her, besorgt um jede Einzelheit. Schließlich trug Scheli die Verantwortung für das Mahl. Sie tat es gern, besonders für diese Gäste! Nicht nur Freunde weilten in ihrer Mitte, sondern auch der Stabträger, der Beauftragte Yehwohs. Nichts sollte schief gehen. Selbst Schelima legte einen Eifer an den Tag, den die meisten Mütter ebenso gerne wie selten sehen.
    »Jetzt setzt ihr beiden euch endlich hin!« Baltan wurde energisch.
    »Aber, Vater!«, wollte Schelima widersprechen. Doch Baltan blieb hart.
    »Du und deine Mutter, ihr setzt euch jetzt. Sogleich! Unsere Dienerschaft hat uns bis heute nicht verhungern lassen und sie wird es auch an diesem Abend nicht tun.«
    Schelimas Mutter saß bereits an der langen Tafel. Schelima blieb nichts anderes übrig, als den einzigen freien Platz einzunehmen: gegenüber von Gimbar, der jede ihrer Bewegungen aufmerksam verfolgte.
    Obwohl Schelima vielleicht keine außergewöhnliche Schönheit war, bewegte sie sich doch mit Anmut und Grazie, sie besaß einen hellen Verstand und die braunen Augen ihrer Mutter. Auch der sanfte Liebreiz Schelis schimmerte, trotz ihres kessen Auftretens, immer wieder hervor – wenn man auch an diesem Tag nicht viel davon ausmachen konnte. Gimbar jedoch behielt unbeirrt sein liebenswertes Lächeln, als Schelima die Augen hob, um ihm einen wütend-funkelnden Blick zuzuwerfen.
    Während des wundervollen Mahles erzählten Gimbar, Yomi und Yonathan ihre Geschichten, die inzwischen schon recht ineinander verwoben und verflochten waren. Nach dem Essen saß die Gesellschaft in einem mit dicken Teppichen ausgelegten Wohnraum, in dem ein lebhaft flackerndes Feuer die herbstliche Kühle der Nacht vertrieb. Gurgi schlummerte zusammengerollt auf dem Schoß Schelimas, die das Fell des Masch-Maschs kraulte, während sie mit brennendem Interesse der Erzählung Yonathans lauschte.
    Dann übergab der junge Stabträger Baltan den Brief Navrans, was er bisher ganz vergessen hatte.
    »Man kann ja fast gar nichts mehr lesen!«, staunte Baltan.
    Yonathan entnahm den Händen des Kaufmanns das auseinander gefaltete Pergament und musste zu seinem Schreck feststellen, dass Baltan nicht übertrieben hatte. Man konnte die Unterschrift Navrans erkennen und vielleicht gerade noch einige wenige Passagen des Briefes, aber ansonsten war die Tinte völlig verlaufen.
    »Das muss passiert sein, als wir ins Meer gefallen sind.«
    »Oder in dem ständigen Regen im Verborgenen Land«, ergänzte Yomi.
    Yonathan ärgerte sich. Nicht einmal diese wenigen Worte eines Freundes an seinen fernen Gefährten hatte er übermitteln können. Doch dann fiel ihm etwas ein.
    »Ich glaube, ich kann den Brief noch lesen«, sagte er.
    »Aber das ist unmöglich«, widersprach Baltan.
    »Mein lieber Freund Baltan«, begann Yonathan und wiederholte jedes Wort, das Navran geschrieben hatte. Die Anwesenden lauschten verblüfft.
    Noch bevor Yonathan endete, zog Baltan ihm das Pergament aus den Fingern und fand einige Bruchstücke des Wortlautes in den wenigen nicht verlaufenen Zeilen. »Du erinnerst dich an jedes Wort«, staunte er. »Hast du den Brief vorher gelesen?«
    »Navran hat ihn mir vorgelesen, bevor er ihn mir gab.«
    »Und du hast nichts davon vergessen.« Baltans Augen leuchteten, wie am Nachmittag, als er Yonathan zusammen mit dem Stab Haschevet zum ersten Mal gesehen hatte. Dann nickte

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