Neun Zehntel (Deutsch) (German Edition)
Eltern weggenommen und in KBEs gebracht; seitdem hat sich KASEDU jedes einzelne Neugeborene geschnappt.“
„Unfassbar. Das glaub ich einfach nicht.“
„Sie rechtfertigen es damit, dass die Kinder Tag und Nacht beobachtet werden müssten, um mögliche Symptome frühzeitig entdecken zu können. Aber das ist totaler Schwachsinn.“
„Dann wehrt euch , verdammt noch mal. Gebt ihnen einfach keine Kinder mehr. Warum sollte eine Frau überhaupt noch schwanger werden wollen, wenn sie ihr Baby sofort wieder weggeben muss?“
„Viele Frauen glauben, dass das gesamte KASEDU–Programm jederzeit wieder abgeschafft werden könnte. Zumindest reden sie sich das ein.“
„Und was glaubst du?“
Alina zuckte teilnahmslos mit den Schultern. „Die Kinderbetreuungseinrichtungen werden sich nicht einfach in Luft auflösen. Das DOE hat Milliarden von Dollar in dieses Programm gesteckt. Es ist geplant, dass die Kinder bis zu ihrem dreizehnten Lebensjahr in den KBEs bleiben. Anschließend werden sie vom KASEDU in Sozialwohnungen untergebracht, wo sie dann mit anderen Teenagern zusammenleben. Einige der Teenager–Wohnsiedlungen sind schon in Betrieb. Für Kinder, die—“ Alina stockte mitten im Satz. Tränen liefen ihr über das Gesicht.
„Die Unterkunftszuweisung, von der Garrett gesprochen hat.“
„Für Kinder, die sich freiwillig dafür entscheiden. Was für eine Mutter muss ich nur sein, wenn mein Sohn lieber an so einem Ort leben will als bei mir.“
„Das war nicht mehr dein Sohn, der da gesprochen hat. Der Staat hat ihn ja völlig manipuliert.“
Alina schloss ihre Augen. Sie wischte sich mit den Händen über das Gesicht und sammelte sich eine Minute. Leonard wartete und streichelte ihre Schulter. Schließlich nickte sie. „Du hast recht. Für die neuere Generation scheint dieser grausame Babyklau schon ganz normal zu sein. Vielleicht sehe ich deshalb kaum noch schwangere Frauen im Krankenhaus. Nur noch Teenager.“ Sie verzog das Gesicht und sah beinahe beschämt weg. „Sie wurden einer Gehirnwäsche unterzogen. Du hast ja gehört, wie abfällig Garrett über die Familie gesprochen hat.“
„Und die Ausdrücke Vater und Mutter hat er auch nur voller Verachtung benutzt.“
„Kannst du dir jetzt vorstellen, wie sich die Frau, die ihn großgezogen hat, fühlen muss, wenn ihr Kind sie verstößt?“
Leonard küsste seine Frau auf die Stirn und strich ihr durch das Haar. „Es ist nicht fair und es ist nicht deine Schuld.“ Alina schaukelte leicht vor und zurück, so als würde sie ängstlich auf ein Unwetter warten. Leonard sah auf den Boden, unfähig Trost spendende Worte zu finden. Sie saßen einen Augenblick schweigend nebeneinander.
Schließlich durchbrach Leonard die Stille. „Wie wahrscheinlich ist es, dass sich einer von uns mit CARS infiziert?“
Alina starrte ihn lediglich mit trüben, leblosen Augen an. Als sie sich wieder bewegte, murmelte sie teilnahmslos: „Die Krankheit ist momentan fast vollständig eingedämmt. Der Staat hat so schnell wie möglich Krankenhäuser gebaut. Sie schossen so schnell aus dem Boden, dass es einem fast so vorkam, als wenn die Entwürfe schon bereitgelegen hätten. Die Menschen haben nicht mehr so viel Angst davor, sich anzustecken, wie früher. Am Anfang ist eine riesige Massenhysterie ausgebrochen.“
„Das kann ich mir gut vorstellen.“
„Wir machen im Moment einige Wiederholungstests im Krankenhaus, aber die meisten Menschen gehen einfach wieder ihrem gewohnten Alltag nach und machen sich um CARS keine großartigen Sorgen mehr… Außer…“ Ihr blieb das Wort im Hals stecken. Sie brauchte einen Moment, um sich zu beruhigen. „…außer, dass viele Babys von nicht infizierten Eltern die Krankheit nun plötzlich schon im Uterus entwickeln.“
„Das ist sehr seltsam. Und beängstigend.“ Er rümpfte die Nase. „Steckt sich die Mutter dadurch dann auch an?“
„Nein.“
„Aber wie kann sich ein Fötus denn dann überhaupt infizieren? Das ergibt keinen Sinn.“
Alina antwortete nicht sofort. Als sie weitersprach, hörte es sich so an, als würde sie eine öffentliche Bekanntmachung vortragen. „Jeder, der nur das geringste Anzeichen eines Symptoms aufweist und sich zum Beispiel in irgendeiner Form seltsam verhält, wird aus der Allgemeinbevölkerung entfernt und erneut getestet.“
Leonard runzelte leicht verwirrt die Stirn. Ihre Antwort hatte nichts mit seiner Frage zu tun.
Sie fuhr fort: „Aber Collins hatte keinerlei Symptome
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