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Nevare 01 - Die Schamanenbrücke

Titel: Nevare 01 - Die Schamanenbrücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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setzung würde Trist mich leicht besiegen. Und nachdem er mich besiegt hätte, würde er seine dadurch gewonnene Überlegenheit dazu benutzen, alles zu rechtfertigen, was er mir von da an antun würde. Er behauptet, dass meine körperliche Verfassung sein Verhalten mir gegenüber bestimmen sollte. Und du glaubst, du hättest ihm irge n detwas bewiesen, weil du ihn in einer körperlichen Au s einandersetzung besiegt hast. Aber das hast du nicht. Du hast ihm nur gezeigt, dass du mit ihm übereinstimmst, dass der, der einen anderen im Kampf besiegt, derjenige ist, der die Regeln festlegen sollte. Ich bin nicht dieser Meinung. Wenn ich versuche, nach diesen Regeln zu leben, werde ich besiegt werden, und ich habe nicht die Absicht, mich besiegen zu lassen. Ich werde mich also unter keinen Umständen zu einer körperlichen Auseina n dersetzung mit Trist oder irgendjemandem provozieren lassen. Ich werde auf eine andere Weise siegen, auf me i ne Weise.«
    Stille machte sich zwischen uns breit. Der Gegensatz zwischen dem Mut, der aus Gords Worten sprach, und dem fettleibigen Jungen, der da schwer atmend an einem Baum lehnte, hätte in dem Moment kaum krasser sein können. Ich glaube, auch Spink sah diesen Widerspruch, denn er entgegnete: »Wir sind hier beim Militär, Gord. Worum geht es bei einem Soldaten, wenn nicht darum, einen anderen Mann körperlich zu besiegen? So dienen wir unserem König und verteidigen unser Land.«
    Gord stieß sich von dem Baum ab. Wir folgten ihm zurück zum Kiesweg und passten uns erneut seinem g e mächlichen Schritt an. Der Wind frischte auf, und die ersten dicken Tropfen kündigten den nächsten Schauer an. Ich wäre lieber schneller gegangen, aber ich war s i cher, dass Gord nicht mit uns Schritt halten konnte. In den Wohnheimgebäuden gingen die ersten Lichter aus. Wenn wir nach dem Zapfenstreich hereinkamen, würde Sergeant Rufet einige Fragen an uns haben. Ich hatte ke i ne Lust, mir noch weitere Strafrunden einzuhandeln. Aber ich wollte es mir auch nicht mit Spink verderben. Also bewegte ich mich zähneknirschend weiter in Gords Schneckentempo voran.
    »Auf der untersten, einfachsten Ebene geht es beim Militär und der Kavalla um physische Überlegenheit. Das räume ich ein. Aber der König hat meinen Vater in den Adelsstand erhoben, und als mein Vater mich zeugte, machte er mich zu einem Soldatensohn, der die Möglic h keit hat, als Offizier zu dienen. Und dabei geht es nicht um körperliche Kraft, Spink. Kein Offizier könnte obsi e gen, wenn sich seine Truppen gegen ihn wenden würden. Ein Offizier führt durch sein Beispiel und durch seine Intelligenz. Ich besitze die Intelligenz. Ich werde nicht das Beispiel geben, dass ich physisch besiegt und auf diese Weise eingeschüchtert werden kann. Und ich werde es dich nicht in meinem Namen geben lassen. Wenn du wieder gegen Trist kämpfen solltest, dann musst du wi s sen, dass du das nicht für mich tust, sondern allein für dich. Du suchst nach einem Weg, deinen eigenen ang e schlagenen Stolz zu retten, weil du Hilfe von jemandem annehmen musst, der dick und unansehnlich ist. Irgen d wie glaubst du, dass das ein schlechtes Licht auf dich wirft, und deshalb kann Trist dich zum Kämpfen aufst a cheln. Aber ich werde meine eigenen Schlachten schl a gen, und zwar auf meine Weise. Und ich werde sie g e winnen.«
    Ein furchtbares Schweigen trat daraufhin zwischen uns, und es schien den Platzregen zu bringen, der uns im Nu durchnässte. Ich hätte mich l iebend gern mit einem Sprint ins Trockene gerettet. Gord schien den gleichen Drang zu verspüren, denn er umklammerte seinen Wanst fester, senkte den Kopf wider den Sturm und beschle u nigte seine Schritte. Schließlich hatte ich das Gefühl, sprechen zu können. »Was ist dir zugestoßen, Gord? Caulder sagt, du seist geschlagen worden.«
    Gord schnaufte jetzt noch heftiger, aber er brachte trotzdem eine Antwort zustande. »Caulder kann sagen, was er will und wem er will. Ich bin die Bibliothekstre p pe hinuntergefallen. Das ist die Wahrheit.«
    Spink kam mir zuvor. »Du meinst, ein Teil der Wah r heit, und deshalb kannst du daran festhalten. Der Ehre n kodex geht dir über alles. Wann bist du die Treppe h i nuntergefallen, Gord? Als du vor ihnen weggelaufen bist, oder nachdem sie dich zusammengeschlagen hatten?«
    Gord stapfte unbeirrt weiter. Ich schaute zu Spink hi n über und blinzelte Regentropfen von meinen Wimpern. »Er wird dir nicht antworten.« Ich kam mir plötzlich sehr dumm vor,

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