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Nevare 01 - Die Schamanenbrücke

Titel: Nevare 01 - Die Schamanenbrücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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sie im Garten spazieren gehen oder im Frauenzimmer mit meinen Schwestern bei der Nadelarbeit sitzen sah, konnte ich auch nicht umhin zu denken, dass dies das Mädchen war, das einmal meine Frau sein sollte. Ich bemühte mich, es nicht allzu deutlich zu zeigen, wenn unsere Blicke sich trafen. Ich versuchte, nicht in der Hoffnung zu schwelgen, dass sie die gleichen noch eher vagen Träume von einem gemeinsamen Heim und Kindern träumte.
    An jenem Abschiedsabend durfte ich Carsina zum e r sten Mal in den Speisesaal geleiten. Carsina und meine Schwestern hatten sich den größten Teil des Tages im oberen Stockwerk aufgehalten, während Dienstboten mit schier endlos anmutenden Stapeln frisch gebügelter Le i nentücher und Spitzen die Treppen hinauf und hinunter hasteten. Als sie schließlich kurz vor dem Dinner die Treppe herunterkamen, hätte die Verwandlung nicht ve r blüffender sein können. Meine Schwestern erkannte ich kaum wieder, geschweige denn Carsina. Ich hatte meine Mutter oft meinen Schwestern raten hören, dass leuc h tende Farben ihnen mit ihrer blassen Haut und ihrem blonden Haar am besten stünden, und so kam es, dass Yaril ein blaues Kleid trug und dazu ein Halsband von einem noch kräftigeren Blau, und Elisi eines in einem dunklen, warmen Goldton. Carsina aber war in ein G e wand aus einem Material gehüllt, das geradezu um sie herum zu fließen schien. Es war von einem blassen Rose, das mich an das Innere der Schneckenmuscheln im A r beitszimmer meines Vaters erinnerte. Es war kaum einen Hauch dunkler als ihre Haut. Die Wölbung ihrer Brüste war durch die in ihrer Feinheit fast flaumig anmutende Spitze, die den Ausschnitt ihres Kleides säumte, zu era h nen, und ihr Anblick verschlug mir schier den Atem. Das Mädchen, das mir versprochen war, wurde vor den A u gen aller anwesenden Männer als Frau zur Schau gestellt. Mein Wunsch, sie zu beschützen, wurde dadurch stärker denn je. Wann immer ich während des Dinners den Blick hob, sah ich, dass sie mich direkt anschaute, und da ich mir grob und unhöflich dabei vorkam, wenn ich sie in all ihrer Schönheit so unverhohlen anstarrte, wandte ich den Blick jedes Mal sofort wieder ab. Als wir uns vom Tisch erhoben, hörte ich, wie sie leise etwas zu Yaril sagte, und als beide daraufhin leise lachten, schoss mir das Blut in die Wangen. Ich wandte mich von ihnen ab und war a u ßerordentlich dankbar, als die Gattin des pensionierten Oberst Haddon mich begrüßte und mir ein Dutzend Fr a gen zu meinem bevorstehenden Studium an der Akad e mie stellte.
    Später am Abend, als wir beide uns durch die A b wechseltänze bewegten, die für junge Unverheiratete als geeignet und schicklich galten, versuchte ich, Carsinas Hand oder ihre Hüfte mit der gleichen höflichen Zurüc k haltung zu berühren wie die jedes der anderen Mädchen, die an dem Tanz teilnahmen. Doch wenn ich sie dann so für einen kurzen Moment in meinen Armen hielt, konnte ich gar nicht anders, als daran zu denken, dass dies das Mädchen war, die Frau, die ihr Leben mit mir teilen wü r de. Ich traute mich nicht, zu ihr hinunterzuschauen, denn sie lächelte fortwährend zu mir herauf. Der Duft der Ga r denien in ihrem Haar betörte mich, und ihre Augen fu n kelten mehr als die winzigen, diamantenbesetzten N a deln, die ihr Haar zierten. Meine Brust schnürte s ich so eng zusammen und eine solch heiße Röte stieg mir in die Wangen, dass ich befürchtete, ich würde mich unster b lich blamieren, indem ich ohnmächtig zu Boden sank. Ich glaube, dass alle, die uns zusammen sahen, gespürt haben müssen, dass ich schon jetzt Besitzerstolz, Zärtlichkeit und Fürsorglichkeit für sie empfand. Nachdem wir uns e re kurze Runde vollendet hatten, reichte ich sie an einen anderen Burschen weiter, und das Mädchen, mit dem ich die nächste Schrittfolge absolvierte, hielt mich zweifellos für einen ausgesprochen tapsigen Tanzpartner.
    Der Empfang fand zu meinen Ehren statt, und ich tat mein Bestes, um jede meiner Pflichten als ein Sohn des Hauses zur Zufriedenheit meiner Familie zu erfüllen. Ich tanzte mit den Matronen, die mich seit meinen Säu g lingstagen kannten. Ich pflegte Konversation und dankte ihnen für ihre Glückwünsche und guten Ratschläge. Ich hatte gerade ein Glas Punsch für Mrs. Grazel geholt, die Frau des Viehzüchters, der ein großes Anwesen südlich von Breittal besaß, als ich beobachtete, wie Yaril und Carsina durch die flatternden Vorhänge hinaus in den von Lampions beleuchteten

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