Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nexus

Nexus

Titel: Nexus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Miller
Vom Netzwerk:
heimkamen.
    Die Kälte hatte nachgelassen, als ich aus dem Theater kam. Ein leichtes Schneegestöber ging hernieder. Aus einem unerklärlichen Drang ging ich zu einem in derselben Straße gelegenen Waffengeschäft. Im Fenster lag ein Revolver, den ich jedesmal betrachtete, wenn ich hier vorüberkam. Es schien eine besonders mörderische Waffe zu sein.
    Wie üblich blieb ich stehen und preßte die Nase gegen das Schaufenster. Ein kräftiger Schlag auf die Backe ließ mich auffahren. Es war mir, als wäre ein Schuß losgegangen. Als ich mich umdrehte, sagte eine Stimme freudig: «Was zum Teufel tust du denn hier? Henry, mein Junge, wie geht es dir?»
    Es war Tony Marella. Er hatte eine lange, erloschene Zigarre im Mund, sein weicher Filzhut saß ihm etwas schief auf dem Kopf, und seine kleinen perlartigen Augen zwinkerten wie ehemals.
    Schau an, schau an, und alles Sonstige, was man bei einer solchen Begegnung üblicherweise sagt. Dann die Frage: «Und was tust du jetzt! »
    Mit ein paar Worten leerte ich den Sack meiner Leiden aus.
    «Saudumm ist das, Henry. Ich hatte keine Ahnung, daß du in einer solchen Patsche steckst. Warum hast du denn nichts von dir hören lassen? Einen kleinen Pump kannst du immer bei mir anlegen.» Er faßte mich um die Schulter. «Was meinst du dazu, wenn wir uns einen genehmigen? Vielleicht kann ich dir helfen.»
    Ich versuchte, ihm klarzumachen, dazu sei es zu spät. «Du würdest nur deine Zeit verschwenden.»
    «Komm, komm, rede mir nicht so 'nen Quatsch vor. Ich kenne dich doch lange genug. Weißt du nicht, daß ich dich immer bewundert — und beneidet habe? Wir alle haben unsere Hochs und Tiefs. Hier ist eine nette, freundliche Kneipe, komm mit. Laß uns ein wenig trinken und essen.»
    Es war eine kleine Kneipe, in die man von der Straße aus keinen Einblick hatte. Er war dort offenbar gut bekannt und stand in gutem Ansehen. Ich wurde allen vorgestellt, selbst dem Stiefelputzer. «Ein alter Schulkamerad», erklärte er, als er mich einem nach dem anderen präsentierte. «Ein Schriftsteller, bei Gott! Habt ihr schon mal einen gesehen?» Er überreichte mir ein Glas Champagner. «Hier, wir wollen ein Glas auf unser Wiedersehen trinken! Joe, wie wär's mit einem Roastbeef-Sandwich mit viel Sauce und rohen Zwiebeln? Na, ist das nicht Musik für deine Ohren? Junge, du weißt gar nicht, wie ich mich freue, dich wiederzusehen. Ich habe mir schon oft gedacht, wie es dir wohl gehen würde. Sagte mir, du bist vielleicht nach Europa gegangen. Komisch, was? Dabei verkriechst du dich hier direkt vor meiner Nase.»
    Munter wie eine Lerche zwitscherte er so weiter, bestellte lustig drauflos, ließ Zigarren bringen, erkundigte sich nach dem Ausgang der Rennen, begrüßte neue Gäste und stellte mich auch ihnen vor, borgte sich Geld vom Wirt, telefonierte und so weiter. Ein kleiner Dynamo. Ein wohlbestallter Bürger, das konnte man auf den ersten Blick sehen. Ein Allerweltsfreund, von fröhlicher Laune und Güte überschäumend.
    Gleich darauf, einen Ellbogen auf die Bar gestützt und einen Arm um meine Schulter gelegt, sagte er mit gesenkter Stimme: «Hör mal, Henry, laß uns gleich zur Sache kommen. Ich hätte gerade eine feine Stelle zu vergeben. Wenn du magst, könnte ich sie dir verschaffen. Nichts, worüber man aus dem Häuschen geraten müßte, aber sie kann dir vielleicht über die gröbsten Schwierigkeiten hinweghelfen. Bis du etwas Besseres findest, meine ich. Na, was sagst du dazu?»
    «Sicher», sagte ich, «um was handelt es sich?»
    «Um eine Stelle in der städtischen Park- und Friedhofverwaltung», erklärte er. Er sei Sekretär des Direktors. Das heiße nichts anderes, als daß er, Tony, sich um den täglichen Dreck kümmern müsse, während das große Tier von oben herab die Aufsicht führe. Politik. Eine schmutzige Angelegenheit. Immer warte jemand darauf, einem einen Dolchstoß in den Rücken zu geben.
    «Es wird nicht morgen oder übermorgen sein», fuhr er fort. «Ich muß ein bißchen vorsichtig auftreten. Aber ich werde dich sofort auf die Liste setzen. Es kann einen Monat dauern, bis du Nachricht bekommst. Kannst du es so lange aushalten?»
    «Ich glaube schon», sagte ich.
    «Um Geld brauchst du dich nicht zu sorgen. Was du bis dahin brauchst, kann ich dir leihen.»
    «Nein, nein! Ich schlage mich bis dahin schon durch.»
    Er kniff mich in den Arm. «Du bist ein sonderbarer Kauz», sagte er. «Bei mir brauchst du doch keine Bedenken zu haben. Geld habe ich immer, nur hält

Weitere Kostenlose Bücher