Nibelungen 08 - Der Ketzerfürst
gefährlicher General. Ich habe gegen ihn gekämpft und mußte mit ansehen, wie er mit einem Reite r keil meine Männer auseinandergetrieben hat, obwohl wir mehr als dreimal so viele Krieger waren. König Merowech ist alt, und es gibt Stimmen, die munkeln, daß Ricchar vielleicht die Macht hat, nach Merowechs Tod den Thron der Franken an sich zu reißen. Viele Kriegsfürsten würden ihn dabei unterstützen. Man sagt, Ricchar habe noch nie eine Schlacht verloren … Das macht ihn unter den Soldaten beliebt. Sie glauben, daß er ihnen Ruhm und Gold bringen wird. Nur einen Fehler hat unser Franke gemacht … Hätte er nicht das Christentum abgelegt, so wäre er schon jetzt unangreifbar. So jedoch hat er sich mächtige Feinde gemacht. Die Bischöfe des Frankenreichs stehen in off e ner Opposition zu ihm, und sie scheuen sich nicht, Ricchar selbst am Hofe des Königs einen Ketzer zu nennen. Durch sie wissen wir, daß Ricchar im Kampf gegen die Rebellen in se i nem Gau keine Unterstützung durch den König erhalten wird, und sollte der Ketzerfürst in einem dieser Gefechte fallen, dann wird sein Ruhm so schnell verblassen wie die Sterne beim Mo r gengrauen.« Einen Moment lang starrten die Männer einander schweigend an. Dann murmelte Giselher leise: »Du weißt jetzt also, was dein König von dir erwartet.«
»Aber ich war Gast an seiner Tafel … Er hat mich zuvorko m mend behandelt, und ich würde mich wie ein Verräter fühlen, wenn ich mein Schwert gegen ihn erheben würde, um … «
»Wem gilt deine Treue eigentlich?« herrschte der Fürst ihn an. »Siehst du nicht, welche Gefahr für Burgund Ricchar werden wird, wenn ihn niemand aufhält? Noch ist sein Aufstieg zu verhindern! Du weißt, daß König Merowech seit Monaten kränkelt … Viele rechnen damit, daß er noch in diesem Winter stirbt. Wenn das geschieht, dann ist es zu spät! Von meinen Spitzeln weiß ich, daß Ricchar Waffen hortet. Angeblich kann er schon jetzt zehntausend Fußkämpfer und tausend schwere Reiter ausrüsten. Wenn er erst einmal auf dem Königsthron sitzt, dann wird ihn niemand mehr aufhalten können. Ich habe von den fränkischen Bischöfen ein geheimes Schreiben erhalten, in dem sie mir berichten, daß Ricchar von der Errichtung eines heidnischen Königreiches träumt und daß er das Christentum ausrotten will. In den letzten Monaten sind mehr als hundert Priester und Mönche aus seinem Gau hierhergeflohen und h a ben sich unter den Schutz unseres Bischofs gestellt. Sie erzä h len, daß der Ketzer die Priester foltern und hinrichten läßt, wenn sie dem wahren Glauben nicht abschwören und sich se i nem Stiergott unterwerfen. Es ist deine Pflicht als Christ, diesen Mann zu bekämpfen!«
Volker mußte an den Eber denken. Der Räuber war ein Christ! Was hatte der Glaube schon zu bedeuten, wenn die Seele eines Menschen verdorben war. Im Vergleich zu diesem Halsa b schneider war Fürst Ricchar wie ein leuchtender Stern in der Finsternis. Der Frankenfürst hatte eine Vision … Volker war sich sicher, daß Giselher mit der Behauptung recht hatte, daß Ri c char Krieg führen würde, falls er König würde … Doch das Ziel des Franken war Frieden. Dessen war sich der Spielmann völlig sicher. Warum sollte er gegen diesen Mann kämpfen? Vielleicht würde der Tag kommen, wenn Ricchar Burgund angriff … Aber jetzt? Außerdem würde es nicht mehr lange dauern, bis der er s te Schnee in den Bergen fiel. Kein Feldherr mit Verstand führte Krieg im Winter. In dieser Jahreszeit würden mehr Krieger an der Kälte und an Krankheiten sterben als in der Schlacht.
»Nun, Volker! Hast du es dir überlegt?« Giselher schaute ihn erwartungsvoll an. »Wie lautet deine Antwort?«
Der Spielmann seufzte. »Ich bin erschöpft von der Reise, und du verlangst eine schwere Entscheidung von mir. Ich soll gegen einen Mann in den Krieg ziehen, der nicht mein Feind ist … Gib mir etwas Bedenkzeit!«
Der junge Fürst schüttelte den Kopf. »Ich verstehe dich nicht, Volker. Seit deiner Rückkehr aus Aquitanien bist du nicht mehr der Mann, den ich einst kannte. Du sollst deine Frist beko m men … Doch sobald der Bote, den ich nach Worms geschickt habe, zurückkehrt, erwarte ich eine Antwort von dir. Denk doch an die Erscheinung, die du in Castra Bonna gehabt hast! Der Erzengel, der vom Himmel zu dir herabgestiegen ist … Du mußt zurück in die Berge! Gott will es!«
11. KAPITEL
ierig sog Golo die kühle Abendluft ein. Den ga n zen Nachmittag hatte er in der
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