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Nicholas Dane (German Edition)

Nicholas Dane (German Edition)

Titel: Nicholas Dane (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melvin Burgess
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Art.
    So rief Michael Moberley einige Tage später Mrs Batts an und bat sie, für ihn einen Besuch in Meadow Hill zu arrangieren. Er wollte die Angelegenheit mit dem stellvertretenden Heimleiter Mr Creal besprechen, um herauszufinden, was genau er tun könnte.
    Tony Creal erwartete ihn in seinem Büro. Vom Fenster aus sah er, wie Michael Moberley auf den unkrautbewachsenen Parkplatz rollte. In einem verdammt großen Rover. Geld. Die Tür schlug auf und der Mann dazu stieg aus, in einem gut geschnittenen Anzug. Viel Geld! Erstaunlich. Geld trat in Meadow Hill nicht sehr häufig in Erscheinung. Wer hätte das gedacht? Mr Creal beobachtete genau, wie der ältere Mann über den Asphalt zu der breiten Eingangstreppe schlenderte und sie leichtfüßig erklomm. Eigenartig, dass gut gekleidete Leute immer zu schlendern schienen. Oder entschlossen schritten. Wahrscheinlich konnte man in einem guten Anzug gar nicht schlurfen. Das ließ der Stoff einfach nicht zu.
    Als ihm der Besucher wenig später gegenübersaß, wusste Mr Creal nicht so genau, was er von ihm halten sollte. Er hatte gedacht, Geschäftsmann, jede Menge Geld, maßgeschneiderte Anzüge und Hemden, teures Duftwasser, sportlich, konservativ, Hilfe zur Selbsthilfe, all so etwas. Einen schicken Anzug hatte er an, das ja, aber nicht so einen, wie ihn Geschäftsleute in der Regel trugen, und der Mann war unrasiert. Er verströmte keinen teuren Duft, er trug keine teuren Maßschuhe, sondern einfach Turnschuhe. Michael Moberley rauchte selbst gedrehte Zigaretten, sein Haar kringelte sich bis auf den Kragen runter, aber trotzdem erweckte er den Eindruck, er wäre seit dem Tag, an dem er anmutig aus dem Schoß seiner Mutter in die feinen Leinentücher gefallen war, die seinen Körper bis heute umhüllten, immer für viel Geld frisiert, gekleidet, gewaschen und gepudert worden.
    »Musikproduzent. Mit den Pasteten hab ich vor Jahren Schluss gemacht. Ich war sogar eine Weile Vegetarier.«
    »Ich ess Pasteten ganz gern«, gab Mr Creal zu.
    »Ich rate Ihnen: Essen Sie Pasteten nur dann, wenn Sie ganz genau wissen, was drin ist. Das gilt auch für Wurst. Ich habe jahrelang im Pastetengeschäft gearbeitet, ich esse keine Pasteten. Ich esse doch keine Arschlöcher.«
    »Ihh«, sagte Mr Creal. »Aber dann würden die Pasteten doch zäh schmecken. Maggies Pasteten sind immer sehr saftig.«
    »Selbst ein Arschloch wird zart, wenn man es lang genug kocht«, bemerkte Michael Moberley. Beide Männer kicherten wie Schuljungen.
    »Eines Tages werden alle krank werden, die solches Zeug essen«, sagte Michael Moberley. »Ich bin aus dem Pastetengeschäft ausgestiegen, weil … nun, um ehrlich zu sein, ich war jung, alle meine Kumpels machten entweder Popmusik oder sie richteten schicke Londoner Häuser ein und vögelten kleine Filmsternchen, und ich? Ich reiste durch Europa, um die billigsten Arschlöcher einzukaufen. Wiederaufbereiteter Fleischabfall klingt einfach nicht so toll wie Rock ’n’ Roll, oder?«
    »Und ist das Musikgeschäft lukrativ?«
    »Jedenfalls lukrativer als Pasteten«, gab Michael Moberley zu. »Selbst ich habe Geld gemacht, und ich bin echt scheiße. In der Branche kann man einen richtigen Haufen Geld machen, und in der Branche weiß man auch, wie man es ausgibt. Ich war so einer. Einer, der Geld ausgibt. Aber ich will Ihnen was sagen. Musik für die Massen richtet nicht so viel Schaden an wie Lebensmittel für die Massen. Meine Popsongs habe ich gehört, aber meine Pasteten habe ich nicht angerührt. Mehr braucht man nicht zu sagen. Also.« Er schlug ein Bein über das andere und kam zur Sache. »Es sieht so aus, als hätten Sie einen Neffen von mir in Ihrer Obhut?«
    »Nicholas Dane.« Mr Creal kramte in den Papieren auf seinem Schreibtisch. »Mrs Batts sagt, Sie hätten gar nichts von ihm gewusst?«
    »Erstaunlich, nicht wahr? Überhaupt nichts. Gestatten Sie?« Michael Moberley zog eine Dose aus der Tasche und drehte sich eine Zigarette. Eine Angewohnheit aus seiner vergeudeten Jugendzeit, in der er Gras geraucht hatte, vermutete Mr Creal zu Recht. »Mein Dad war ein ziemlicher Filou. Tja, so könnte man das ausdrücken. Oder auch: ein ziemlicher Mistkerl. Er hat es meiner Mum verdammt schwer gemacht – und mir auch. Ich glaube, man sagt dazu, hart, aber fair, aber ich weiß nicht, was daran fair sein soll, wenn man von einem Menschen windelweich geschlagen wird, der doppelt so groß ist wie man selbst. Er hat mich geschlagen und er hat meine Mum geschlagen

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