Nicholas Flamel Bd. 2 Der dunkle Magier
bewegte sich das Ungeheuer, und das Schwert fuhr ihm in den Arm, dicht hinter der Klaue, mit der es die Kriegerin festhielt. Das Monster reagierte überhaupt nicht darauf, doch Josh sah, wie knapp die Klinge Scatty auch diesmal verfehlt hatte. Die Frau beugte sich erneut vor und Josh wusste: Jetzt würde es passieren.
Er musste etwas unternehmen! Er war Scattys einzige Hoffnung. Er konnte nicht einfach nur dastehen und zusehen, wie jemand, den er kannte, umgebracht wurde. Er lief los. Als er in Saint-Germains Haus einen Hieb gegen das Monster geführt hatte, war nichts passiert, aber als er mit der Schwertspitze in die dicke Haut gestochen hatte …
Josh umfasste Clarent mit beiden Händen, wie er es gelernt hatte, setzte zum Endspurt an und raste auf Nidhogg zu. Kurz bevor er das Schwert in den Schwanz des Monsters stach, spürte er noch, wie die Waffe in seinen Händen vibrierte.
Im selben Augenblick, als sie die Haut durchbohrte, strömte Wärme seine Arme hinauf und breitete sich in seiner Brust aus. Plötzlich war die Luft erfüllt vom fruchtigen Duft von Orangen. In der nächsten Sekunde flackerte seine Aura kurz golden auf, um danach denselben orangeroten Ton anzunehmen, der auch von dem Schwert ausging, das aus der dicken, wulstigen Haut des Monsters ragte.
Josh drehte die Waffe heraus. Die Wunde in der graubraunen Haut brannte flammend rot, begann dann aber sofort, hart zu werden und sich mit einer schwarzen Kruste zu überziehen. Es dauerte einen Moment, bis die Empfindung durch das primitive Nervensystem der Kreatur gewandert und im Kopf angekommen war. Dann bäumte das Monster sich plötzlich auf und brüllte vor Schmerz. Es regnete Backsteine, Ziegel und Balken, als es sich aus seinem Gefängnis befreite, und Josh stolperte schnell ein Stück zurück, um nicht getroffen zu werden.
Er stürzte und legte schützend die Arme über den Kopf, als ringsherum Schutt niederprasselte. Jetzt von einem Ziegel erschlagen zu werden, wäre doch wirklich zu dämlich, dachte er. Das unerwartete Aufbäumen des Ungeheuers warf die Frau auf seinem Rücken fast herunter. Sie ließ den Streithammer fallen und versuchte verzweifelt, sich festzuhalten, um dem Monster nicht direkt vor die Füße zu kullern. Vom Boden aus sah Josh, wie die dicke schwarze Kruste von der Wunde her weiter den Schwanz hinaufwanderte. Das Ungeheuer bäumte sich noch einmal auf, stürmte vorwärts, wobei es die Hausecke mitriss, und donnerte hinaus auf die Champs-Élysées. Erleichtert stellte Josh fest, dass es Scattys schlaffen Körper immer noch in den Klauen hielt.
Er holte tief Luft, rappelte sich auf und griff nach dem Schwert. Augenblicklich spürte er, wie ihn eine Kraft durchströmte und seine sämtlichen Sinne schärfte. Schwankend stand er da und ließ sich von dieser rohen Energie erfüllen. Dann setzte er dem Monster nach. Es war ein irres Gefühl. Obwohl der Tag noch immer nicht ganz angebrochen war, sah er alles ganz deutlich, auch wenn die Farben noch etwas gedämpft waren. Sämtliche Gerüche der Stadt stiegen ihm in die Nase, obwohl der ranzige Schlangengestank des Monsters sie alle überlagerte. Sein Gehör war so geschärft, dass er die Sirenen der vielen verschiedenen Einsatzfahrzeuge unterscheiden konnte. Durch die Gummisohlen seiner Turnschuhe spürte er jede Unebenheit im Straßenbelag. Er ließ das Schwert vor sich durch die Luft sausen.
Es heulte und sirrte, und Josh glaubte, entfernte Stimmen zu hören, Worte, die er fast verstehen konnte. Zum ersten Mal in seinem Leben fühlte er sich durch und durch lebendig. Und er wusste, dass auch Sophie sich so gefühlt hatte, nachdem ihre Kräfte geweckt worden waren. Während das Gefühl bei ihr allerdings Schrecken und Verwirrung ausgelöst hatte, war er … wie berauscht.
Er wollte das. Mehr als alles andere in der Welt.
Dagon trottete in die Gasse, hob den Streithammer der Disir auf und jagte dann hinter dem Jungen her.
Er hatte seine Aura aufflackern sehen und wusste, dass sie ungewöhnlich stark war. Ob es sich bei dem Jungen und dem Mädchen aber um die legendären Zwillinge handelte, stand auf einem anderen Blatt. Der Alchemyst und auch Dee waren offenbar überzeugt davon. Doch Dagon wusste, dass sich selbst Machiavelli – einer der herausragendsten Humani, mit denen er es je zu tun gehabt hatte – nicht hundertprozentig sicher war, und das kurze Aufflackern der Aura des Jungen reichte nicht aus, um ihn zu überzeugen. Goldene und silberne Auren waren selten –
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