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Nicholas Flamel Bd. 4 Der unheimliche Geisterrufer

Nicholas Flamel Bd. 4 Der unheimliche Geisterrufer

Titel: Nicholas Flamel Bd. 4 Der unheimliche Geisterrufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Scott
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dauern, bis die Stadt in Schutt und Asche liegen würde?« Das Gummiband, das ihren Pferdeschwanz zusammenhielt, riss und ihr dichtes, von silbernen Strähnen durchzogenes Haar stellte sich knisternd auf und bildete einen kompakten dunklen Heiligenschein um ihren Kopf. »Wochen, Tage oder Stunden? Und sobald die Stadt nur noch eine einzige rauchende Ruine ist, werden diese Kreaturen sich wie eine Seuche über ganz Amerika ausbreiten, das weißt du. Und wie lange würde es wohl dauern, bis die Humani – trotz ihrer Waffen und ausgefeilten Technologie – von den Monstern ausgerottet wären? Was glaubst du?«
    Der Alchemyst schüttelte den Kopf und zuckte mit den Schultern.
    »Sie haben schon einmal das Ende einer Zivilisation herbeigeführt«, fuhr Perenelle fort. »Das letzte Mal, als die dunklen Wesen des Älteren Geschlechts solche Ungeheuer auf diese Welt losließen, waren die anderen Älteren gezwungen, Pompeji zu zerstören.«
    Flamel nahm seiner Frau wortlos das Holzkästchen aus den Händen.
    »Nicholas, das Letzte, was wir tun, bevor wir vergreisen und sterben, ist, die Armee auf Alcatraz zu vernichten. Und dafür brauchen wir Verbündete.« Sie klopfte mit der flachen Hand auf das Kästchen. »Wir brauchen das hier.«
    Der Alchemyst drehte sich um und legte sein Kästchen aufs Bett. In die Seitenwände war eine dreifache Spirale geschnitzt worden und er zeichnete die Windungen mit dem Finger nach. Er hatte das Kästchen vor etwas mehr als dreihundert Jahren in Indien gekauft, in einer der besonders dunklen Gassen von Delhi, und dann die Spiralen mit einem Stück Holzkohle aufgezeichnet. Ein örtlicher Handwerker hatte das Muster in die vier Seitenwände geschnitzt, ebenso auf den Deckel und den Boden.
    »Hier bei uns ist das ein uraltes, mächtiges Schutzzeichen«, hatte der kleine, verhutzelte Mann auf Hindi gemurmelt.
    Dass der Fremde ihn verstehen würde, hatte er natürlich nicht erwartet. Es war ein Schock für ihn gewesen, als der Westler ihm das Kästchen aus den Händen genommen und ebenfalls auf Hindi geantwortet hatte: »Bei uns auch.«
    Es gab weder ein Schloss noch sonst einen Verschluss an dem Kästchen. Flamel hob vorsichtig den Deckel ab und setzte ihn aufs Bett. Plötzlich lag ein Hauch von Jasmin und exotischen Gewürzen in der Luft – der unverwechselbare Duft Indiens. Er wollte gerade hineingreifen, als Perenelle ihn am Arm packte. Ihre Finger gruben sich schmerzhaft in seine Haut. Er sah, wie sie ihr Haar hinters Ohr strich und den Kopf zur Seite neigte. Sie lauschte.
    Und dann hörte Flamel es auch: Jemand schlich unten im Laden herum.

KAPITEL ZEHN
    K einer der Touristen, die sich am späten Abend in London lärmend auf das ehemalige Marktgelände von Covent Garden drängten, schenkte der großen schlanken Frau mit dem wallenden pechschwarzen Haar auch nur die geringste Aufmerksamkeit. Sie hatte sich vor dem Punch & Judy-Pub zwischen zwei Pfeiler gestellt und breitete nun vor ihren Füßen auf dem Kopfsteinpflaster ein viereckiges Stück weiches Leder aus, das mit roten Spiralen bemalt war. Schließlich zog sie eine Flöte aus einem Lederetui, setzte sie an die Lippen, schloss die Augen und begann zu spielen.
    Der Klang war faszinierend.
    Von den Steinsäulen verstärkt, schwebte die ätherische Musik über Covent Garden hinweg, tanzte über das Pflaster und brachte alle zum Innehalten. Es dauerte nur Minuten, bis sich eine Menschenmenge im Halbkreis um die Frau versammelt hatte.
    Sie stand reglos da und spielte mit geschlossenen Augen. Keiner der Zuhörer erkannte die Melodie, obwohl sie vielen irgendwie vertraut vorkam und sie feststellten, dass ihre Finger oder Fußspitzen unbewusst dem Rhythmus folgten. Einige rührte die Melodie sogar zu Tränen.
    Dann endete die altertümlich klingende Musik mit einem lang gezogenen, hohen Ton, der von Vögeln hätte kommen können, die hoch oben über den Himmel ziehen. Nach einem langen Moment der Stille öffnete die Flötenspielerin die Augen und verbeugte sich leicht. Die Menge applaudierte, Bravorufe ertönten, doch die meisten Zuhörer schlenderten danach gleich weiter Richtung Apple Market. Ein paar warfen Geld auf das Ledertuch — britische Pfund, amerikanische Münzen und Euros –, und zwei fragten, ob es eine CD von der Musik gäbe.
    Die Flötenspielerin schüttelte den Kopf und erklärte, dass jede Vorstellung anders und einmalig sei. Sie dankte ihnen mit leiser Stimme, aus der ganz schwach ein amerikanischer Ostküstenakzent

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