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Nicht mehr tun, was andere wollen

Nicht mehr tun, was andere wollen

Titel: Nicht mehr tun, was andere wollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henrik Fexeus
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gegeben hatte, beharrten die Studenten weiterhin darauf, dass sie recht hatten. Zumindest im Prinzip.
    Das ist Wunschdenken oder magisches Denken: Wir wollen unbedingt weiter einen Zusammenhang sehen, auch wenn es nachweislich gar keinen gibt. Wenn wir unsere Einstellung zu anderen (oder zu uns selbst) kritisch überprüfen sollen, reicht es offenbar nicht zu erfahren, dass wir von einem Zusammenhang ausgegangen sind, der gar nicht besteht.
    Timothy Wilson sah seinen Irrtum bezüglich Phil ein, aber er sagt nichts darüber, ob er andere Gefühle gegenüber Phil hegte, nachdem er erfahren hatte, wie sich die Dinge wirklich verhielten. Ebenso fanden mich auch noch viele Teilnehmer aus der » negativen Gruppe« bei unserem Hjärnstorm -Experiment unsympathisch, nachdem wir ihnen erklärt hatten, warum sie sich so fühlten, wie sie sich fühlten, und dass nicht mein Auftritt ihre Gefühle ausgelöst hatte, sondern die Umgebung, in der sie sich vorher aufgehalten hatten. Man möchte meinen, es sollte leicht sein, sich einzugestehen: » Ach so, deswegen war ich so grätzig. Das erklärt die Sache natürlich. Jetzt ist mir klar, dass Henrik überhaupt nichts damit zu tun hatte und dass er eigentlich ein ganz netter Kerl ist.« Aber so funktionieren Sie eben nicht. Im Guten und im Schlechten. Der folgende Kommentar aus diesem Experiment erklärt alles: » Ja, schon möglich, dass wir so ticken. Aber ich finde trotzdem, dass er voll der unsympathische Scheiß-Stockholmer ist.«
    Oft sind Sie nicht allein in Ihrer Umgebung, höchstwahrscheinlich halten sich dort auch andere Menschen auf. Vielleicht haben Sie sich auch aus einem bestimmten Grund an diesem Ort versammelt. Die Kombination aus Menschen und Milieu können wir als Situation bezeichnen. Oft befinden Sie sich ja eher in einer Situation und geraten nicht einfach grundlos in irgendeine Umgebung. Die Situation könnte so aussehen, dass Sie zum Shoppen in die Stadt gehen, Sie können im Fußballstadion stehen und einen Fangesang mitgrölen oder auf einer Hochzeit zu Gast sein. Situationen beeinflussen uns ungeheuer, tatsächlich sogar mehr als die bloße Umgebung, was auch logisch ist, denn die Umgebung ist ja nur ein Bestandteil der Situation.
    Philip Zimbardo, emeritierter Professor der Stanford University (USA) und einer von den Wissenschaftlern, die in puncto Beeinflussung die wichtigsten Erkenntnisse gemacht haben, führte 1971 ein bahnbrechendes Experiment durch. Dieses erregte große Aufmerksamkeit – nicht nur, dass es einen entscheidenden Beitrag zum Verständnis menschlichen Verhaltens lieferte, es gab überdies den Anstoß zu mehreren Büchern und Filmen und lieh sogar einer Punkband seinen Namen: The Stanford Prison Experiment. Zimbardo hatte sich ein paar Gedanken zu Situationen gemacht. Genauer gesagt: Er überlegte, wie es bloß möglich war, dass die Menschen in amerikanischen Gefängnissen so fies zueinander waren. Lag es etwa daran, dass sich nur Menschen mit sadistischen Tendenzen um eine Arbeitsstelle dort bewarben? Oder hatte es etwas mit der Situation, der Umgebung zu tun? Zimbardo und sein Team bauten im Keller des Instituts für Psychologie eine Art Gefängnis nach. Eigentlich bestand es nur aus einem tristen Korridor mit einer Toilette und drei kleinen Zellen, die mit schwarz lackierten Türen versehen wurden. Dann suchte man per Inserat in der Lokalzeitung Teilnehmer für das Experiment. 21 Personen, die man für mental stabil erachtete, wurden ausgewählt. Dann wurden sie willkürlich in Wächter und Gefangene eingeteilt. Die Wachen bekamen Uniformen, dunkle Sonnenbrillen und die Anweisung, sie sollten dafür sorgen, dass im Gefängnis Ordnung herrschte. Die Gefangenen bekamen Overalls mit aufgenähten Nummern und sollten diese Nummern anstelle ihrer Namen verwenden. Dann wurden die Gefangenen eingesperrt, die Wachen begannen ihre erste Schicht – und dann ging es los.
    In der ersten Nacht wurden die Gefangenen nachts um zwei geweckt, um Liegestütze und andere Übungen zu machen. Am Morgen des nächsten Tages meuterten die Gefangenen, rissen sich die Nummern ab und weigerten sich, aus den Zellen zu kommen. Woraufhin die Wachen sie auszogen, sie mit Wasser aus Feuerlöschern besprühten und ihren » Anführer« in eine Isolierzelle sperrten (eine Garderobe ). Je länger das Experiment lief, umso grausamer wurden die Wachen. Unter anderem ließen sie die Gefangenen mit Handschellen und Papiertüten über dem Kopf im Flur auf und ab marschieren.

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