Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nicht ohne meine Mutter: Mein Vater entführte mich als ich ein Jahr alt war. Die Geschichte meiner Befreiung (German Edition)

Nicht ohne meine Mutter: Mein Vater entführte mich als ich ein Jahr alt war. Die Geschichte meiner Befreiung (German Edition)

Titel: Nicht ohne meine Mutter: Mein Vater entführte mich als ich ein Jahr alt war. Die Geschichte meiner Befreiung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meral Al-Mer
Vom Netzwerk:
seine Brüder, Falschaussagen zu machen. Sie bestritten, dass sie jemals miterlebt oder auch nur davon gehört hätten, dass ich geschlagen oder sonst misshandelt wurde. Lediglich der Onkel, der noch heute beim Bundesgrenzschutz tätig ist, ruderte nach seiner ersten Aussage wieder zurück, als er begriff, dass ihn diese Falschaussage seinen Job kosten könnte. Mein Vater versuchte auch Freunde zu kaufen oder zu erpressen, unter anderem den Bruder von Banu, dem kleinen Mädchen, dem er einmal in unserem Badezimmer zu nahe getreten war. Doch dieses Mal geriet er an jemanden, der sich nicht einschüchtern ließ, auch nicht, als die Al-Mer-Gang seine Autotür zuklebte und ihn massiv bedrohte. Stattdessen ging er zur Polizei und erstattete ebenfalls Anzeige. Er sagte aus, dass mein Vater ihm Geld schulde und ihn erpressen wolle, damit er in meinem Fall eine falsche Aussage vor Gericht machte.
    Nachdem mein Grenzschutz-Onkel nicht mehr aussagen konnte, schickte er seine Frau zum Gericht. Plötzlich lief mir also auf dem Flur diese angeheiratete Tante über den Weg. Ich mochte sie gern und freute mich, sie nach so langer Zeit wiederzusehen. Auch sie schien sich zu freuen, jedenfalls fiel sie mir um den Hals und drückte mich fest. Ich lud sie zu mir in die Wohnung ein, machte Tee, und wir sprachen ganz offen miteinander.
    Meine Tante begann, mir von ihrer schrecklichen Ehe zu erzählen und davon, wie sehr sie mein Onkel schlug.
    »Du musst da auch raus«, beschwor ich sie. »Wenn du willst, helfe ich dir. Du musst dir das nicht gefallen lassen, auch du kannst deinen Mann anzeigen …«
    In meiner Euphorie versuchte ich, auch ihr zu helfen. Es war ein inniges Gespräch, und als sie ging, umarmten wir uns herzlich.
    »Ach ja«, sagte ich an der Tür, »eine Frage habe ich noch. Kannst du mir sagen, wo mein Vater seine Waffen versteckt? Ihr lebt doch im selben Haus.«
    »Klar«, sagte sie. »Hamid bewahrt sie in der Hundehütte auf.«
    Ich war nicht wenig überrascht, sie kurze Zeit später im Gerichtssaal wiederzusehen, umringt von meinen Onkeln. Ich grüßte sie vorsichtig, wollte sie nicht in Schwierigkeiten bringen. Doch sie tat so, als sähe sie mich gar nicht.
    Später wurde sie tatsächlich in den Zeugenstand berufen – und zwar von dem Anwalt meines Vaters. Was nun kam, war eine haarsträubende Geschichte: Es sei schon lange mein Plan, meinen Vater fertig zu machen, erzählte sie. Das hätte ich ihr erst neulich selbst erzählt und ihr bei der Gelegenheit angedroht, sie zu schlagen, wenn sie jemandem etwas davon verraten würde. Und so ging es weiter. Der Richter hörte sich den offensichtlichen Unsinn an, dann sagte er: »Ist Ihnen klar, dass Sie wegen dieser Falschaussage ins Gefängnis kommen können? Wohnen Sie nicht mit dem Bruder des Angeklagten zusammen? Ist es nicht eher so, dass es der Vater der Klägerin war, der Sie bedroht hat? Sie haben jetzt zwei Möglichkeiten: Entweder Sie verlassen diesen Raum und wir streichen Sie als Zeugin, oder Sie wiederholen das alles, und wir nehmen es zu Protokoll. Dann werden wir überprüfen, ob Sie die Wahrheit sagen. Und wenn nicht, müssen Sie mit einer Haftstrafe rechnen.«
    Meine Tante zeterte noch ein wenig herum, doch dann verließ sie schleunigst den Gerichtssaal. Während dieser Auftritt die anderen eher amüsierte, war ich tief verletzt von ihrem Verrat. Sie hatte in meiner Wohnung gesessen und meinen Tee getrunken. Sie hatte sich von mir trösten lassen. Und jetzt dies. Die Waffen meines Vaters wurden übrigens nie gefunden, wahrscheinlich hat meine Tante zu Hause gebeichtet, dass sie mir das Versteck verraten hatte. Und ich kam mir vor wie in einem Thriller, in dem keiner dem anderen mehr trauen kann.
    Es gab Situationen während des Prozesses, in denen ich sehr niedergeschlagen war. In den Pausen musste ich mich in einem Nebenraum verschanzen, während meine Familie den Flur bevölkerte, sich frei bewegen und Essen und Kaffee holen konnte. Klar, Frau Schilling brachte auch mir etwas, aber wenn ich so durch den Türspalt sah, wie es sich meine Verwandten da draußen gut gehen ließen, dann fand ich das schon bitter.
    Mehr und mehr begann ich daran zu zweifeln, dass sich meine Hoffnungen tatsächlich erfüllen könnten, dass meine Familie mir zuhören und ihre Position überdenken würde. Die Verhandlungen fanden ein- bis zweimal in der Woche statt, und unsere Angehörigen kamen nach der Arbeit vorbei. Und jedes Mal, wenn einer von ihnen eintrat, bäumte sich

Weitere Kostenlose Bücher