Nicht schon wieder Liebe
befürchtet hatte, stand klar vor ihren Augen. Es war in der nervösen Unruhe zu erkennen, mit der Kody von einem Fuß auf den anderen trat; es zeigte sich in dem verkrampften Lächeln auf seinem Gesicht und in der Art, wie er ihrem Blick nicht so ganz standzuhalten vermochte. »Dann bring deinen Vater doch einfach mit«, sagte sie ruhig. »Er ist ebenfalls herzlich willkommen.«
»Tut mir Leid. Aber das wird nichts werden.«
»Dann am Freitag«, sagte sie klipp und klar.
»Da muss ich, äh -«.
»Etwas schrecklich Wichtiges erledigen«, soufflierte sie, als er stockte. Sie ging zur Hintertür und hielt sie auf. »Ich glaube, du gehst jetzt besser.«
»Was?«
»Ich mag zwar etwas langsam von Begriff sein, aber ich bin keine Idiotin«, sagte sie und rüttelte an der Tür. »Raus!«
»Rissa, es ist nicht so, wie es dir vielleicht vorkommt -«
»Nein? Ich habe nämlich den äußerst unangenehmen Eindruck, dass ich zwar gut genug bin, um mit dir auf einer Matratze herumzuhüpfen, wann immer dich die Lust dazu überkommt, aber wenn es darum geht, dass ich deine Familie kennen lerne oder du die meine, dann bin ich denn doch nicht der passende Umgang für dich.«
»Nein!« Er streckte die Hand aus, um sie zu berühren, doch sie wich mit einer ruckartigen Bewegung zurück, und er ließ seine Hand hilflos wieder sinken. Er beugte sich jedoch mit resoluter Heftigkeit zu ihr vor und sagte: »Hör zu, es ist einfach nur so ... meine Schwester geht mit vielen Männern aus, und ich habe wieder und wieder mit ansehen müssen, wie mein Neffe Jacob eine Enttäuschung nach der anderen erleben muss, weil ihre Partner immer genau dann wieder aus seinem Leben zu verschwinden pflegen, wenn er gerade angefangen hat, ihnen zu vertrauen und sich auf sie zu verlassen. Deshalb habe ich nun mal diese etwas schrullige Angewohnheit, mich von den Kindern der Frauen fern zu halten, mit denen ich mich treffe.«
Wut stieg wie eine rote Flutwelle in Marissas Innerem hoch. Sie kam von so vielen Ebenen gleichzeitig, dass sie sie kaum voneinander unterscheiden, geschweige denn unter Kontrolle halten konnte, doch sie zwang sich eisern, sich zu beherrschen. »Ah ja«, sagte sie betont gleichmütig. »Nun, es ist auf jeden Fall schön zu wissen, welchen Platz ich in deinem Leben einnehme. Ich bin also eine der Frauen, mit denen du dich triffst.«
»Du bist die einzige Frau, mit der ich mich treffe. Vor dir hat es schon ziemlich lange keine Frau in meinem Leben gegeben.«
»Ich verstehe.« Ihr Ton war neutral, doch ihre Augen blitzten vor Wut. »Ich bin also nicht eine von vielen, sondern vielmehr die Frau, mit der du zu schlafen geruhst, die du aber sehr sorgsam von jedem anderen Teil deines Lebens fern hältst.«
Aus ihrem Mund hörte sich das so gemein und verachtenswert an, aber so war es nicht. »Ich will nun mal nicht schuld daran sein, wenn in den Augen eines Kindes dieser enttäuschte, kummervolle Ausdruck erscheint, den ich nur zu oft in Jacobs Augen gesehen habe, das ist alles. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass -«
»Alle Frauen Huren sind?«
»Mein!«
»Ich glaube aber, das ist genau das, was du denkst. Dass alle Frauen, die mehr auf ihr Vergnügen und ihre sexuelle Befriedigung bedacht sind als auf das Wohl ihrer Kinder, Huren sind.«
Obwohl er wusste, dass er sich besser nicht so weit vorwagen sollte, hörte er sich hervorstoßen: »An dem Abend, als wir uns kennen lernten -«
»Bin ich schnurstracks mit dir ins Bett gegangen«, unterbrach sie ihn in knappem, barschem Ton. »Deshalb ist es nur recht und billig, anzunehmen, dass ich mich wohl von jedem Mann, den ich kennen lerne, gleich flachlegen lasse.«
Kody strich sich frustriert mit der Hand durchs Haar. »Kannst du mich nicht mal einen gottverdammten Satz beenden lassen? Oder wenigstens damit aufhören, mir Worte in den Mund zu legen?«
»Oh, ich bitte vielmals um Entschuldigung! Dann denkst du also nicht, dass du nur einer von vielen warst?«
Er zögerte etwas zu lange mit seiner Antwort, denn das war tatsächlich genau das, was er gedacht hatte ... zumindest zu Anfang. Aber dann hatte er Marissa besser kennen gelernt.
Bevor er ihr jedoch sagen konnte, dass er inzwischen nicht mehr glaubte, sie ginge mit vielen Männern ins Bett, nickte Marissa entschieden. »Das dachte ich mir. Tja, dann mach dich mal auf eine Überraschung gefasst, Sportsfreund. Ich schlafe nicht mit jedem. Ich dachte, du wärst etwas Besonderes.« Sie lachte ohne jeden Humor. »Zum Teufel noch
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