Nicht schon wieder Liebe
gelacht. Der Mann hatte Crystal ganz offensichtlich nicht gekannt, wenn er auch nur für einen Moment annehmen konnte, dass sie sich die Zeit genommen hätte, um etwas so Verantwortungsbewusstes zu tun. Mit dieser Art von Planung auf lange Sicht hatte ihre Schwester nie etwas am Hut gehabt. »Leider nicht.«
»Dann schlage ich Ihnen vor, dass Sie einen Anwalt aufsuchen, wenn Sie wieder nach Seattle zurückkehren, und ihn damit beauftragen, einen Antrag beim Vormundschaftsgericht zu stellen, in dem sie um die Übertragung des Sorgerechts für Ihre Nichte bitten. Nach dem derzeitigen Stand der Dinge sind Sie nämlich rechtlich nicht ab gesichert, da Ms. Davis ohne Hinterlassung eines Testaments gestorben ist und keine Vorsorge für die Betreuung ihrer Tochter getroffen hat. Wenn Sie das Sorgerecht erhalten würden, wäre damit auch die Frage des Unterhalts geklärt. Eddie hatte eine gesetzliche Vereinbarung mit Ihrer Schwester, einen großzügigen monatlichen Beitrag zu Elizabeths Lebensunterhalt zu leisten. Er hatte aber auch die Mittel, um zu fliehen und ein Luxusleben in einem Land zu führen, das kein Auslieferungsabkommen mit den Vereinigten Staaten hat, deshalb wurden seine Konten eingefroren, als er nicht zur Gerichtsverhandlung erschien. Um zu erreichen, dass ein Teil dieses Vermögens zur finanziellen Unterstützung des Kindes freigegeben wird, müssten Sie zu Elizabeths gesetzlichem Vormund bestellt worden sein. Ich kann Sie leider nicht vertreten, weil ich dann in einen Interessenkonflikt geraten würde, aber wenn Sie möchten, könnte ich Ihnen jemanden in Ihrem Wohnort empfehlen. Ich kenne in Seattle mehrere ausgesprochen kompetente Anwälte.«
»Ich wäre Ihnen wirklich sehr verbunden, Mr. Peavy, wenn Sie das tun würden.«
»Bitte. Nennen Sie mich doch Neil.«
»Neil, okay Danke.« Veronica machte Anstalten, ihr leeres Glas auf dem Schreibtisch abzustellen, doch als ihr Blick auf die glänzend polierte Tischplatte fiel, die aussah, als ob sie nur allzu empfänglich für Wasserringe war, zögerte sie. Sie hielt die Tasche und den Mantel auf Ihrem Schoß mit ihrer freien Hand fest, um zu verhindern, dass alles hinunterrutschte, und stellte das leere Glas stattdessen auf den Fußboden. Als sie sich wieder aufrichtete, sah sie, wie der Anwalt sie mit einem Blick beobachtete, der ihr für einen flüchtigen Moment das Gefühl vermittelte, ein dahergelaufenes, unbedeutendes kleines Dummchen zu sein. Doch sie hatte sich diese Andeutung von Verachtung wohl nur eingebildet, denn er lächelte bloß milde und sagte: »Kein Problem. Ich werde schnell ein paar Namen aufschreiben und die dazugehörigen Telefonnummern notieren.«
»Ich hätte in dieser Sache wahrscheinlich schon längst etwas unternehmen sollen«, gestand Veronica. »Aber alles ist so schnell passiert, dass ich die Probleme immer nur eines nach dem anderen in Angriff nehmen kann. Ich kann jetzt aber verstehen, dass es klug wäre, einen Rechtsanspruch durchzusetzen, deshalb unterschätzen Sie bitte nicht die Bedeutung Ihres Ratschlags. Sie haben mir ein Ziel gezeigt und mir einen Weg gewiesen, auf dem ich dieses Ziel erreichen kann. Allein dafür sind Lizzy und ich Ihnen zu großem Dank verpflichtet.«
»Nichts zu danken, das habe ich doch gerne getan.« Er schrieb die versprochenen Informationen auf die Rückseite einer Geschäftskarte und beugte sich dann vor, um sie ihr zu reichen.
Veronica stellte ihre Tasche auf den Schreibtisch, um zu verhindern, dass sie auf den Fußboden plumpste, und streckte die Hand nach der Karte aus. Als sie sich jedoch vorbeugte, um sie entgegenzunehmen, begann ihr Mantel wegzurutschen. Ihr hastiger Versuch, das Kleidungsstück festzuhalten, veranlasste Neil, sich noch weiter über den Schreibtisch zu lehnen, als ob er ihr behilflich sein wollte. Dabei stieß er mit dem Ellenbogen so hart gegen den eichenen Bilderrahmen, dass dieser umkippte und zur Schreibtischkante schlitterte. Veronica schnappte hastig danach, um ihn aufzufangen, erreichte damit aber lediglich, dass ihr die Tasche in den Schoß kippte und ihr Mantel auf den Fußboden rutschte.
Sie lachte über ihre eigene Ungeschicklichkeit, als sich ihre Finger um den Bilderrahmen schlossen. »Das wird mir hoffentlich eine Lehre sein, meinen Mantel in Zukunft etwas sorgfältiger zu falten«, sagte sie. »Ich sollte mir wirklich mal merken, dass die glatte, rutschige Seite nach innen gehört.« Dann fiel ihr Blick auf das Foto in dem Rahmen, und sie erschrak
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