Nicht warten - starten
sagte sie: »Ich verstehe Ihre Haltung und möchte nochmals betonen, dass niemand Sie zwingen kann, diese oder irgendeine andere Regel zu befolgen – das heißt, Sie haben immer die Wahl. Aber was könnte es Ihnen Ihrer Meinung nach bringen, sich zumindest so lange an die Vereinbarung zu halten, bis über Ihre Beschwerde entschieden wurde?«
Der Mitarbeiter dachte eine Weile nach. »Es könnte bei der Anhörung glaubwürdiger wirken, wenn die Entscheidungsträger hören, dass ich mich trotzdem an die Regelung gehalten habe«, sagte er dann. Weil die Managerin ihm die Möglichkeit gegeben hatte, selbst zu entscheiden, hielt sich der Mitarbeiter freiwillig an die Vereinbarung, obwohl er weiterhin entschlossen war, dagegen anzukämpfen. Seine Chefin hatte einen Machtkampf vermieden und die gute Beziehung zu ihm bewahrt. »Hätte ich darauf bestanden, dass er sich an die Vereinbarung hält, hätte er mit Sicherheit rebelliert«, erzählte sie mir hinterher. »Aber da ich seine Autonomie respektierte, gab ich ihm die Möglichkeit, eine Entscheidung zu treffen, die für uns alle funktionierte.«
3. Sagen Sie ehrlich, was Sie erreichen möchten.
Niemand will gerne manipuliert werden. Eine Möglichkeit sicherzustellen, dass Sie die Leute, die Sie motivieren möchten, nicht manipulieren, besteht darin, Ihre Vorstellungen offen zu bekunden:
Ich möchte, dass Sie pünktlich zur Arbeit kommen. Offen gesagt, dass Sie im letzten Monat mindestens zwei Mal pro Woche zu spät gekommen sind, wirft ein schlechtes Licht auf uns beide. Wir haben ja schon einmal darüber gesprochen, und ich weiß, dass es nicht gut gelaufen ist. Ich habe versucht, Sie dazu zu bringen, sich so zu verhalten, wie ich es mir vorstelle – und natürlich habe auch ich einen Vorgesetzten, dem ich Rede und Antwort stehen muss –, aber am Ende liegt es allein bei Ihnen, ob Sie pünktlich zur Arbeit kommen. Deshalb würde ich jetzt gerne hören, was Sie dazu zu sagen haben.
Warum könnten Sie in den nächsten fünf Tagen pünktlich ins Büro kommen wollen? Was könnten Sie davon haben?
Die kursiv gesetzten Sätze entsprechen dem ersten Schritt des Instant-Influence-Prozesses (»Warum könnten Sie sich ändern wollen?«), die Sätze davor dienen der Autonomieförderung des anderen. Ist Ihnen aufgefallen, dass Sie sich in keiner Weise zu irgendetwas verpflichtet haben? Weder haben Sie dem Mitarbeiter erlaubt zu kommen, wann immer es ihm gefällt, noch haben Sie ihm versprochen, ihn vor dem Unmut Ihres Vorgesetzten zu schützen. Aber indem Sie deutlich gemacht haben, dass es seine Entscheidung ist, haben Sie das Gesetz der psychologischen Reaktanz miteinbezogen und ihm die Möglichkeit gegeben, eigene Gründe dafür zu finden, in Zukunft pünktlich zu kommen.
4. Sprechen Sie im Anschluss an dieses Gespräch oder in einer separaten Unterredung die Konsequenzen durch.
Gleichgültig, ob Sie es mit einem Mitarbeiter zu tun haben, einem Ihnen nahestehenden Menschen, einem Kind oder einer fremden Person, es kann leicht passieren, dass Sie es frustrierend finden, so viel Energie in die Autonomie des anderen zu investieren. »Und was ist damit, was
ich
will?«, fragen Sie sich vielleicht. »Ich kann doch nicht zulassen, dass er zur Arbeit kommt, wann es ihm passt«, »Habe ich hier überhaupt nichts zu sagen? Muss sie in unserer Beziehung immer das letzte Wort haben?« oder »Er ist schließlich noch ein Kind! Soll ich ihn etwa immer seinen Willen durchsetzen lassen?«
Tatsächlich steht es Ihnen frei, jede im Rahmen Ihrer Kompetenzen liegende Konsequenz zu ziehen. Je nachdem, wie das in Ihrem Unternehmen geregelt ist, können Sie einem Mitarbeiter kündigen, ihn abmahnen oder auf sonstige Weise zur Ordnung rufen. In einer persönlichen Beziehung können Sie Ihren Ärger zum Ausdruck bringen, sich emotional zurückziehen oder die Beziehung ganz beenden. Ihr Kind können Sie maßregeln.
Darüber hinaus könnten Sie auch die Pflicht haben, den anderen auf drohende Konsequenzen hinzuweisen. So sollten Sie Ihrem Sohn, der kurz vor dem Schulabschluss steht, vielleicht klarmachen, dass er es wohl kaum auf die Universität schaffen wird, wenn seine Noten sich nicht verbessern.
Der springende Punkt dabei ist aber, dass der andere letztlich trotzdem frei darüber entscheiden kann, wie er sich verhält. Ein volljähriger Mensch kann abgesehen von sehr seltenen Situationen – zum Beispiel wenn er in eine psychiatrische Klinik eingewiesen
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