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Nichts als Erlösung

Nichts als Erlösung

Titel: Nichts als Erlösung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Klönne
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hat sich mit Kindererziehung beschäftigt. Ihr Vater hat in dem Heim gearbeitet, die Familie hat dort gelebt. Das Foto wird eine Erinnerung sein.«
    »Es sind keine Menschen drauf«, sagt Manni in die sich anschließende Pause.
    Dannenberg furcht die Augenbrauen. »Ja, und?«
    »Keine Ahnung. Aber will man sich nicht eher an Personen erinnern als an ein Haus?«
    »Wer Psychologie studiert, braucht oft selber Hilfe«, sagt Judith. Ein Allgemeinplatz, eine Binsenweisheit, in der trotzdem oft Wahrheit steckt. Kann man nach so vielen Jahren überhaupt noch einen neuen Zugang zu Miriams Persönlichkeit finden? Jemanden, der ein anderes Bild von ihr zeichnet als das der braven Tochter, und wenn ja, wird ihnen das tatsächlich bei der Aufklärung helfen? Vielleicht weiß Lea Wenzel etwas, die Lebensgefährtin von Jonas, vielleicht hat er ihr eine andere Wahrheit über seine Schwester erzählt. Und zumindest wird diese Lea wohl wissen, warum Jonas das Haus verkaufen wollte. Warum jetzt, nach all dieser Zeit. Warum er es auf einmal so eilig hatte damit.
    Wieder glaubt Judith den Täter zu spüren, selbst hier in dieser Dachkammer, in der gar kein Mord geschehen ist. Der Hass des Täters, das Entsetzen der Opfer. Beides ist hier, in diesem Raum, wie ein Nachhall, ein Echo, was auch immer.
    Ihr Handy spielt Queen, reißt sie aus den Gedanken.
    »Sie müssen nach Samos kommen, wenn sie Lea Wenzel vernehmen wollen«, erklärt ein Kollege aus Griechenland auf Englisch. »Sie ist im achten Monat schwanger. Sie hatte einen Nervenzusammenbruch, als wir sie über Jonas Vollenweiders Tod informierten. Wir mussten sie ins Krankenhaus bringen.«

2. Teil
    FROHSINN

Heute waren wir uns ganz nah, aber ich glaube, Du hast das gar nicht bemerkt. So beschäftigt warst du. So konzentriert darauf, in dieser Ermittlung alles richtig zu machen, nichts zu übersehen. Dabei helfe ich Dir doch, lenke Dich in die richtige Richtung. Du ahnst das allmählich, das sehe ich. Da war so ein Ausdruck in Deinen Augen. Verwundert, ängstlich beinahe.
    Das Haus wiederzusehen hat mir wehgetan. Und dann all die Fremden darin. Aber Du bist zuerst reingegangen. Allein. Hast Du gedacht, ich erwarte Dich drinnen? Ich will das gern glauben. Ich wünsche es mir.
    Kann sich Schuld vererben? Ist es gerecht, Kinder für die Sünden ihrer Eltern zu strafen? Dabei hat meine Mutter nicht einmal eine Sünde begangen. Sie hat den Falschen gewählt und wurde betrogen. Sie war noch sehr jung, 18 erst, minderjährig nach damaligem Recht. Sie konnte es doch nicht besser wissen.
    Ich habe sie bewundert. Ich habe sie geliebt. Ich weiß noch, wie sie riecht, ganz sauber, nach Seife. Ihre Haut war sehr weiß, und da war so ein Glucksen in ihrer Brust, wenn sie sich über etwas amüsierte. Sonntags trug sie ein Seidenkleid, dunkelblau mit weißen Punkten und enger Taille.
    Sittlich verwahrlost nannten sie sie. Und wenn ich um sie weinte, lachten sie.

Dienstag, 4. August
    Soll er zur Polizei gehen oder nicht? Die Frage ist sofort wieder da, als die erste Morgendämmerung durchs Fenster kriecht. Er tastet über seine Stirn, zwingt sich, die juckenden Beulen, zu denen sich die Mückenstiche über Nacht offenbar entwickelt haben, nicht blutig zu kratzen. Normalerweise steckt sein Körper ein paar Stiche locker weg, doch die Biester aus dem Steiner Wald haben ihm eine Überdosis verpasst, ein höchst unwillkommenes Souvenir. Er schaut auf die Uhr, kurz nach halb fünf. Sabines Atem geht ruhig und tief. Jan schnauft im Schlaf und robbt näher zu ihm ran, sein kleiner Körper ist nass geschwitzt, erschöpft vom Kampf gegen den Husten.
    Vorsichtig zieht Eric Sievert das Laken über seinem Sohn zurecht. Wenn er zur Polizei geht, was soll er dann sagen? Ich geh da neulich bei Biblis spazieren, so ganz entspannt, ohne auf den Weg zu achten, und dann stolpere ich über dieses Metallstück, und wie ich das rauszieh, liegt darunter ein Fuß, und da grab ich noch ein bisschen weiter und finde Schienbeinknochen, noch einen zweiten Fuß … Lächerlich, absolut lächerlich. Die Bullen werden an so viel Zufall kaum glauben, und sobald sie erst mal im Steiner Wald rumwühlen, werden sie seine anderen Grablöcher finden, auch wenn er die immer ordentlich wieder zugeschaufelt hat, die sind ja nicht doof, im hessischen Landeskriminalamt gibt es ja sogar eine eigens für die Verfolgung von Raubgräbern eingerichtete Stabstelle. Sie werden sein Haus durchsuchen, seine Fundstücke entdecken, die Detektoren

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