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Nichts als Erlösung

Nichts als Erlösung

Titel: Nichts als Erlösung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Klönne
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Darmstadt, verstehen Sie. Er hatte sich wohl bei der Bundeswehr verpflichtet und war hier während einer Truppenübung stationiert. Aber die Wanderjahre wären nun bald vorbei, hat er damals gesagt. Er würde heiraten, ein neues Leben anfangen, ohne Armee. Er wirkte sehr überzeugend, er war wirklich glücklich, glaube ich. Er war mit seiner Verlobten in einem Café verabredet und bestand darauf, dass ich dorthin mitkam, damit er sie mir vorstellen konnte, und damals habe ich mir nichts dabei gedacht, aber jetzt im Nachhinein ist das schon etwas merkwürdig.« Böhm hält inne, schließt die Augen, guckt dann wieder die Krieger an und nickt, als ob er etwas bestätigt fände. »Sie sehen ihr ähnlich«, sagt er leise.
    ***
    Das Haus ist zu groß für ihn allein, viel zu leer, viel zu still. Er passt hier nicht hin, hat wahrscheinlich nie gepasst, und doch ist dieses Haus mehr sein Zuhause als jeder andere Ort, an dem er je gelebt hat. Er nimmt Julias Plüschgiraffe Lydia in die Hand. Sie hat lange, gestickte Wimpern und scheint zu lächeln, und sie ist weich, sehr, sehr weich. Wie konnte Julia heute Nacht ohne sie schlafen? Irgendwie wird es wohl gegangen sein, Sabine und ihre Eltern haben sich bestimmt etwas einfallen lassen, sie darüber hinwegzutrösten, dass ihr Lieblingskuscheltier bei dem überstürzten Aufbruch vergessen worden ist, und selbst wenn nicht, ist das keine Katastrophe, alles ist verschmerzbar, wenn Julia, Jan und Sabine nur leben, wenn ihnen nur nichts passiert. Eric Sievert streicht die rosa geblümte Bettdecke glatt und hievt sich von dem Kinderhöckerchen, auf dem er gekauert hatte, wieder in die Senkrechte. Sabine will nicht mit ihm reden. Sabine will ihn nicht sehen, und schon gar nicht will sie nach Hause kommen, bevor dieser ganze Wahnsinn, wie sie das ausdrückt, geklärt ist.
    Er klemmt sich Lydia unter den Arm und geht zum Fenster. Vor Kurts Einfahrt parkt noch immer das Auto der Kommissare aus Köln, seit über einer Stunde sind sie jetzt schon drüben. Heißt das, dass Kurt tatsächlich ein kaltblütiger Mörder ist, der seine Opfer im Wald verscharrt und auf jeden schießt, der ihm in die Quere kommt, selbst auf seinen Freund? Oder hat ihn dieser Freund völlig zu Unrecht bei den Bullen angeschwärzt? Es macht ihn wahnsinnig, das nicht zu wissen, das noch immer nicht zu wissen, aber die Polizisten sind damit nicht rausgerückt. Gestern Nacht nicht und auch heute Morgen nicht, als sie ein weiteres Mal bei ihm auf der Matte standen und ihm ein weiteres Foto vor die Nase hielten. Ob er die Stelle nun vielleicht identifizieren könne, wollten sie wissen. Ob ihm doch noch irgendetwas eingefallen sei, das ihnen weiterhelfen könnte? Er hatte verneint, und sie hatten schmale Augen gemacht und ausgesehen, als ob sie ihm kein Wort glaubten.
    Halten Sie sich bitte auch weiterhin zu unserer Verfügung, Herr Sievert. Was für ein Satz. Was für ein Scheißsatz. Und kaum hat er aufgelegt, ruft der Chefarchäologe vom Landesamt für Denkmalpflege an und brüllt einen Vortrag ins Telefon. Selbst eine Grabung, die von geschulten Archäologen durchgeführt werde, zerstöre letztlich immer etwas: Fasern, Leder- und Holzreste, kleinste Verfärbungen des Erdreichs gingen bei jedem Spatenstich unwiederbringlich verloren, und wenn Stümper wie Eric in ihrer Gier nach Gold einfach blindwütig drauflosbuddelten, sei das das Schlimmste, was der Archäologie widerfahren könnte, und das habe ein Nachspiel, die für Raubgräber zuständige Abteilung des Landeskriminalamts sei informiert und seine Grabgenehmigung für Darmstadt könne er nun ein für alle Male vergessen, das, immerhin, sei ihm wohl hoffentlich klar.
    Eric geht durch den Flur zum Schlafzimmer, lehnt sich in den Türrahmen. Sabines Kette hat nichts mit diesen Skeletten zu tun. Sie lag ganz woanders, und dort, wo er sie ausgegraben hat, waren keine Knochen. Er sagt sich das vor, wiederholt es sogar laut. »Die Kette hat nichts mit den Morden zu tun.« Aber es funktioniert nicht, er bekommt nicht aus dem Kopf, wie das war, als Kurt ihn gefragt hat, wo er die denn gekauft habe. Und wie Kurt ihn angeschaut hat, als er was von einem Auktionshaus in Frankfurt stammelte, wo er die Kette ersteigert habe, weil sie ihm so gefiel, genau richtig für Sabine, aber das solle Kurt ihr bitte, bitte nicht verraten, sie glaube nämlich, es sei ein eigens für sie hergestelltes Unikat. Hätte er das den Bullen erzählen müssen? Kurt noch tiefer in die Scheiße

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