Nichts für Anfänger - Roman
meine geisteskranke Freundin erzählt und dass sie zurzeit effektiv meine Mam ist und sie, wenn ich nach Hause komme, sie nichts davon hören will, dass man mir auch nur ein Haar gekrümmt hat, beziehungsweise, korrigiert sie sich, würde sie sofort davon hören, so oder so, und dann wäre die Kacke am Dampfen. Billy am anderen Ende klingt, als wäre er megacharmant, witzig und frech zu Tante Grace, und sagt ihr, sie hat ja eine fürchterliche Fantasie und dass Jungs wie er und Soz brav wie die Engelein sind und für sie normalerweise nichts aufregender ist als ein leckerer Snack und ein paar kurze Tanzeinlagen zu Madonna.
Billy beendet das Gespräch supersouverän, indem er den Spieß einfach umdreht und sich nach Tante Grace erkundigt und sie ewig lange über Grace’s Angels plaudern. Und es klingt so, als würde er ihr sagen, dass sie die beste Geschäftsfrau der Welt ist, wenn man bedenkt, wo sie herkommt, und trotzdem hat sie es geschafft, ein Arbeitsagenturenimperium rund um sich aufzubauen. Tante Grace sagt, dass es nicht leicht war, und erzählt, wie sie sich an den eigenen Haaren aus dem Sumpf gezogen hat, und während sie das alles erzählt, fuchtelt sie viel mit dem Zeigefinger herum. Letztendlich setzt sie sich fest entschlossen auf den Küchenstuhl und lächelt still vor sich hin und sieht aus wie eine Frau, die endlich einen monumentalen Preis für ihr Lebenswerk bekommen hat, als hätte sie Kriegsweisen aufgezogen oder jemanden mit einer tödlichen Krankheit gepflegt.
Trotzdem stopft Tante Grace mir etwa zehn Zettel mit ihrer Telefonnummer drauf in meine sämtlichen Taschen und flüstert mir zu, als ich direkt vor der Wohnung aus dem Auto steige, dass ich unbedingt dran denken soll, jedes Mal die Tür zu verriegeln, wenn ich aufs Klo gehe. Ich sage ihr, sie soll nicht rumspinnen, aber sie sagt, dass sie seit Jahren mit so Typen verkehrt und weiß, wie die drauf sind, und dass ich drei Stunden habe, höchstens, und wenn ich um elf nicht zurück unten auf der Straße bin, kommt sie rauf und holt mich.
Das Abendessen an sich ist, wie schon gesagt, absolute Spitzenklasse. Und Soz ist nicht nur ein schwuler Buchhalter mit Action-Man -Stoppeln, sondern obendrein auch noch ein fabelhafter Koch. Es gibt Lammkoteletts mit kleinen Papierkochmützen drauf und als Nachtisch selbst gemachte Schoko-Brownies. Und ich bin auch nicht der einzige Gast. Billy und Soz haben zwei ihrer besten Freunde eingeladen, Roger und Jamie, mit denen wir, wie Billy voraussagt, einen Abend voller fantabulosa Speisen teilen werden! Sofort sagt Roger ihm, dass er ein schlimmer Junge ist, wenn er so was sagt, und dann sieht er mich etwas fragend an und fragt Billy in der uralten Schwulensprache, ob ich ein omi-palone bin. Billy verdreht die Augen und sagt, Roger hat immer nur das eine im Sinn, während Soz hinter mich gleitet und sagt, ich soll Roger einfach ignorieren und dass ihm vermutlich all diese schwitzenden Männer mit ihren riesigen Schlägern und Bällen den Kopf verdreht haben.
Wie ich später herausfinde, ist das ein Witz über Baseball. Weil Roger ist nämlich Amerikaner, und er und Jamie haben den ganzen Tag in einer Londoner Wochenend-Amateurliga Baseball gespielt, die von einem Haufen Arbeitertypen organi siert wird, die hauptsächlich Amerikaner sind und Expats genannt werden, zusammen mit ein paar Deutschen und sogar Japanern, alle vereint in ihrer Liebe zum Baseball. Und obwohl Roger mindestens fünfzig ist, steht er total auf gewinnen und sagt beim Baseball-Sonntagsspiel niemandem, dass Jamie sein Freund ist, damit es die anderen nicht davon ablenkt, was in der Strike-Zone, also am Abschlag, passiert.
Roger ist garantiert der Älteste im Raum und hat zum Be weis ein faltiges Gesicht und einen glatzigen Kopf. Aber gleich zeitig ist er auch der Gesprächigste und ein noch besserer Ge schichtenerzähler als Billy. Roger sitzt am Kopfende des Tisches und erzählt immer und immer weiter, mir und der gesamten Gruppe am Tisch, wie er Jamie kennengelernt hat, der ein winzig kleiner Typ aus Italien ist und nicht gut Englisch spricht, sich aber trotzdem am besten von allen zu amüsieren scheint, weil er gar nicht aufhören kann zu lachen. Roger, der früher einen ziemlich wichtigen Job hatte, in dem es ausschließlich um Import und Export ging, war letztes Jahr auf Geschäftsreise in Rom, als er Jamie sah, der ein hartes Straßenleben führte und unten an der Piazza Cavour für ein bisschen Geld Schwerter schluckte. An
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