Nichts für Anfänger - Roman
war, weil Susan total hysterisch geworden ist und zwei Stunden nonstop geheult hat, weil sie älter ist als ich, aber nie irgendwohin darf.
Sie war so sauer, dass sie vor Wut angefangen hat, gegen die Heißmangel zu treten. Und als Mam sie davon abhalten wollte, hat sie ihr ein Sindy-Blechetui direkt an den Kopf geworfen und geschrien, dass sie sie hasst bis aufs Blut. Dass sie wünschte, sie wäre in Brenda Joyces Haus geboren worden und nicht in dieser stinkigen Bruchbude. Dad musste aus dem Fernsehzimmer angerauscht kommen und alle aus der Küche scheuchen, um Susan am Tisch eine Standpauke zu halten. Er sagte ihr, dass für Jungs andere Regeln gelten, weil Jungs nicht in so große »Schwierigkeiten« geraten können wie Mädchen. Sarah, die vom Flur aus alles mit angehört hatte, wurde wütend und platzte in die Küche rein und sagte, dass es Männer wie Dad sind, die irische Frauen in der Steinzeit festhalten. Dem folgte ein langer Streit, jeder gegen jeden, den ganzen Abend lang, darüber, wer besser ist, Männer oder Frauen.
Dads wichtigstes Argument war, dass Jungs alles in allem nicht in so große »Schwierigkeiten« geraten können wie Mädchen und deshalb auch anders behandelt werden. Sarah sagte, das ist so armselig, dass er das Wort »schwanger« noch nicht einmal aussprechen kann. Mam sagte Ssssch und nickte in Susans und Claires Richtung, als wären sie Kleinkinder, die noch an Feen und den Weihnachtsmann glauben.
Ein Junge wird nie heimkommen und Schande über dich gebracht haben, sagte Dad, bevor er ärgerlich hinzufügte: Er wird niemals SCHWANGER werden!
Fiona sagt, dass Mam das Fass schließlich endgültig mit der Frage zum Überlaufen brachte, was Dad tun würde, wenn eine seiner fünf Töchter schwanger nach Hause kommen würde. Er sagte, dass sie von dem Moment an nicht mehr seine Tochter wäre. Sarah schrie, dass sie liebend gerne schwanger sein würde, um das zu testen.
Na dann los, antwortete er: Teste mich ruhig!
Darüber lachte Fiona laut, und alle warfen ihr finstere Blicke zu, vor allem Sarah.
Während des gesamten Streits, ganz egal, wer was sagte und worüber – alleinerziehende Mütter oder Verhütung oder Sexismus in Schulen und der Politik –, kam Dad immer wieder zurück zu diesem einen Punkt. Er sagte, dass er theoretisch schon allein deshalb recht hat, weil es wissenschaftlich erwiesen ist und niemand abstreiten kann, dass sein Sohn, also ich, niemals schwanger zur Tür reinkommen kann! Und genau deshalb, aus diesem Grund, ganz eindeutig, wird dem Sohn bei seinen, also meinen, Aktivitäten etwas mehr Freiraum gegeben.
Fiona sagt, da haben sich alle Mädchen kollektiv die Haare gerauft und ihm gesagt, dass es um etwas ganz anderes geht.
Insgeheim, im tiefsten Innern, gefällt mir der Gedanke, dass Dad mich verteidigt, obwohl alle Welt gegen ihn ist.
Krass, sage ich, schließe die Augen und singe den Refrain »Als Nation nun wieder frei!« fünfmal hintereinander, bis Fiona mit einem Kissen nach mir wirft und sagt, ich soll die Klappe halten.
9
Das Ende
D er erste Tag nach den Ferien ist immer hart. In unseren Schuluniformen trotten wir runter zum Frühstück wie traurige kleine Soldaten. Die Flügel des Tisches sind nicht ausgeklappt, deshalb essen wir in Schichten nacheinander. Wir gucken raus, sehen oben im Garten den Swingball-Pfosten, der in der Sonne glänzt, und wir verfluchen die Tatsache, dass wir zurück in die Schule müssen, obwohl das Wetter noch denkt, es wäre Sommer. Wir essen Porridge aus einem großen Stahltopf, den Mam gestern Abend vorbereitet hat. Und dann essen wir getoastetes Brennan’s-Brot mit Unmengen Chivers- Marmelade oder selbst gemachter Himbeermarmelade drauf. Eine Zeit lang hat Mam uns dazu gezwungen, eine dicke Vita min-C-Tablette zu unserem Frühstück zu schlucken, doch irgendwann wurden die Tabletten zu teuer, und sie hörte wieder damit auf.
Die Schichten sind immer gleich gestaffelt. Zuerst Mam und Susan. Mam zieht die Rollos rauf und dreht alle notwen digen Knöpfe und Schalter rauf inklusive der Gay-Byrne Radio-Show, kurz: Gaybo – alle nennen ihn Gaybo oder aus Scherz auch Onkel Gaybo, denn er ist wie so ein gut aussehender Onkel, den jeder gerne hätte, und wenn man vom Arsch der Welt kommt, würde man seine gesamten Lebensersparnisse hergeben, um ein Ticket für seine Fernsehshow zu ergattern, und dann vor der Kamera total nervös werden und ein Gedicht vortragen oder ein Liedchen, das man kurz davor geschrieben hat und
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