Nichts für Anfänger - Roman
Moment fast schon vergessen hatte. Und weil es mir quasi Spaß gemacht hat, über das Leben nachzudenken und die Zeit und Pizzastücke und das Multiversum, so wie die ganzen Jungs da draußen auf dem Flur. Jungs mit ganz normalen Problemen, meine ich. Die zum Beispiel dazu gezwungen werden, Essensreste vor riesigen Spiegeln zu essen. Normale Jungs, die normale Leben vor sich hatten, mit geschwätzigen Frauen und quengeligen Kindern und Tagen, an denen sie zu viel trinken und diejenigen verfluchen, die ihnen in der Kindheit Wunden zugefügt haben, und trotzdem zu Weihnachten und Ostern glückliche Zusammenkünfte feiern, weil alle Kriegsbeile begraben sind. Mit der bloßen Erwähnung des Wortes »Vater« jedoch zieht er quasi den Stuhl unter mir weg. Mir wird ein bisschen flau im Magen, so als würden die Chancen, dass ich mich übergebe, besser stehen, als dass ich den Namen dieses widerwärtigen Arschlochs rausbekomme, also springe ich einfach auf und sage Vater Jason, dass ich ihm nichts sagen kann, und dann renne ich zur Tür hinaus wie Carl Lewis rennen würde, wenn der Hund aus diesem Film hinter ihm her wäre, dieser Hund, der nur schwarze Typen beißt.
Ich weiß, dass Vater Jason es nicht dabei belassen wird. Immerhin war er schon in Afrika. Er hat Kannibalen in Aktion gesehen. Er hat vor nichts Angst. Und ich weiß, dass er auf meiner Seite ist. Er wird keine Ruhe geben, bevor er nicht weiß, wer »Vater« ist. Da bin ich mir zumindest relativ sicher.
6
Unhappy Birthday
M ein vierzehnter Geburtstag fällt in etwa auf den allertiefsten Tiefpunkt in meinem Leben. In der Schule ist es das reinste Elend, ich werde schlechter und schlechter und versaue es mir mit jedem einzelnen Lehrer im Kollegium und bekomme tagtäglich von Jack Downs eins gegen den Arm geboxt. In Sachen Vergewaltigung ziehen einem O’Culigeens postkoitale Plaudereien zunehmend die Schuhe aus. Manchmal habe ich sogar das Gefühl, dass er mich überhaupt nur vergewaltigt, um hinterher mit mir plaudern zu können. Dann will er, dass ich mich in der Sakristei neben ihn lege, auf eine selbst gebastelte Matratze aus zusammengeschobenen, harten roten Sofakissen, mit einer lila Picknickdecke drüber, und zündet sich eine Kippe an (sein »lästiges Laster«, wie er sagt, dieser unglaubliche Schwachkopf) und schwafelt von seinen ganzen Plänen und Träumen für die Zukunft.
Seine große Leidenschaft, sagt er, ist das Reisen. Er war noch nie irgendwo, aber er will überallhin. Er zieht an seiner Kippe und erzählt mir was von Sonnenuntergängen über dem Pazifik und wie es wohl ist, ein polynesischer Eingeborener zu sein, der sich mit seinem kleinen Lederboot zehn Meter tiefe Wasserfälle hinunterstürzt. Und dann erzählt er mir, dass die Polynesier Amerika schon vor den Amerikanern entdeckt haben und dass man heute von Tahiti nach Neuseeland segeln kann, wenn man sich ausschließlich an den Sternen orientiert. Kannst du dir das vorstellen?, sagt er, streicht mir einmal kurz die Haare aus der Stirn und deutet mit seiner Kippe nach oben, als könnten wir uns einfach zurücklehnen und einen atemberaubenden Blick auf unsere Galaxie werfen, statt einfach an die dreckige gelbe Decke seiner eigenen privaten Kinderfickerkammer zu gucken.
Von Zeit zu Zeit wird das Ganze so richtig übel, und er bittet mich, mit ihm fortzugehen. Er sagt, dass er sich aus diesem Mief wegversetzen lässt, bis nach Papua-Neuguinea. Und dann werden sie schon sehen, sagt er. Damit meint er seine Brüder daheim am Arsch der Welt in Sligo. Er drückt mich fest an sich und sagt, dass sie fiese Schweinehunde waren, als er noch klein war, und dass sie ihm das Leben zur Hölle gemacht und ihm furchtbare Dinge angetan haben. Unaussprechliche Dinge, sagt er halb am Weinen und küsst meine Schläfen.
Das ist der Punkt, wo ich ein paar Fragen einwerfe. Denn das ist jetzt die Gefahrenzone. Das ist der Moment, wo es ihm in den Sinn kommen könnte, sich einen Nachschlag zu holen, und deshalb muss man vorsichtig sein. Bist du für einen Moment zu still, lässt er die Gedanken schweifen und fängt an, schwer zu atmen, und ehe du dichs versiehst, bist du gefickt. Im wahrsten Sinne des Wortes. Also sind ein paar unverfängliche Fragen deine beste Option, keine zu schwere Kost, aber genug, um ihn von seiner Fährte zu locken.
Ich frage ihn, was seine Brüder jetzt machen, und er sagt mir, dass sie den Bauernhof nie verlassen haben und ihn zusammen führen. Schweinehunde. Ficken wahrscheinlich
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