Nichts für Anfänger - Roman
katholischen Irland pflegen, Weihnachten traditionell als ein gesundes Familienfest zu feiern, wo niemand auch nur im Ent ferntesten an Sex und Schmuddelkram denkt. Ganz besonders diese völlig unangebrachte Verwechslung des Krippenspiels mit dem Akt des Liebemachens war allein schon in Gedanken die schlimmste Sünde von allen und eine Blasphemie, die Bände über die moralischen Vorstellungen der Band Frankie Goes to Hollywood und ihres Sängers Holly Johnson sprach (den Namen musste sie in Susans Jackie nachschlagen) und noch viel mehr über die der Macher von Top of the Pops und jene Kräfte in Irland, die sich überhaupt einverstanden damit erklärt haben, dass das Video ausgestrahlt wird. Sie unterschrieb mit den Worten: Voller Sorge, aus Éire.
Zum Glück wurde ihr Brief nicht in der Leserbriefsparte des Indo gedruckt, und die BBC meldete sich auch nicht zurück, aber Mam wurde es einfach nicht müde, den Inhalt des Briefes zusammenzufassen und einfach jedem auf die Nase zu binden, wie dieses schmutzige Lied ihr Weihnachtsfest ruiniert hatte und dass sie unzählige Male über den Küchenboden geschlittert war, wenn es im Radio kam, um das Gerät noch vor dem ersten Refrain abzuschalten.
Aber heute Abend ist es anders. Das Gespräch von unten klingt eher nach dem leisen Gemurmel einer Diskussion als dem Seufzen und Bellen einer Standpauke mit anschließendem Beklagen. Von meinem Bett aus, das direkt über der Küche und rechts vom Wohnzimmer steht, bekomme ich genau mit, dass das braune Brot zwar ein ziemlicher Hit ist, sie sich aber mittlerweile den ernsteren Dingen des Lebens zugewendet haben. Fiona sagt, dass sie über Dads Dauermüdigkeitskrankheit reden und wie er sie besiegen kann. Sie hat gehört, wie Tim Connell, der Aer-Lingus-Pilot, gesagt hat, dass in »den Staaten« alle immer müde sind und Dad sich einfach ein paar Multivitamintabletten einwerfen und mit einem Sony-Walkman joggen gehen soll. Er bietet ihm sogar an, ihm von seinem nächsten US -Flug einen mitzubringen. Jetzt, wo der Dollar nur 0,50 £ wert ist, ist das ein richtiges Schnäppchen, sagt er. Dad fragt ihn, was er sich bitte auf dem Walkman anhören soll, und Tim sagt ihm, er soll nicht so ein alter Miesepeter sein und dass eine seiner Töchter ihm sicherlich ein Jogging-Tape zusammenstellen kann. Dad fragt, ob es Hooked on Classics auf Kassette gibt, und Tim lacht.
Fiona macht das gerade oft. Sie schlüpft der guten alten Zeiten wegen ins Zimmer und legt sich dort, wo früher ihr Bett stand, auf den Boden, schnappt sich meine alten aussortierten Star-Wars -Figuren und erzählt mir den neuesten Klatsch und Tratsch. Beim ersten Mal gelang es ihr, ins Zimmer zu kommen, ohne dass ich es bemerkte, und sie kroch auf allen vieren wie ein Soldat bis unter mein Bett, und als ich gerade ein schlief, stieß sie ganz sanft von unten mit dem Knie gegen die Matratze. Ich rastete natürlich völlig aus und rief nach Mam und dachte, dass ein Geist oder ein Einbrecher unter dem Bett ist, und den Rest des Abends kicherte Fiona wie verrückt, sogar noch, als sie zurück in Claires und Susans Zimmer war.
Heute Abend bleibt sie nicht lange. Hauptsächlich, weil ich heute nicht gerade eine Plaudertasche bin. Ich raune viel und gucke eigentlich nur an die Decke. Als sie gerade zehn Minuten weg ist, fängt das Weinen an. Keine Ahnung, warum. Es ist total bescheuert. Total fake. Aber ich kann nichts dagegen tun. Waa-haa-haa. Sie kommt zurück ins Zimmer gerannt und sagt mir, dass ich sie nicht mehr alle habe und dass die Connells mich hören, wenn ich nicht leise bin. Aber ich kann nicht aufhören. Ich mache einfach weiter, als würde mich jemand dazu zwingen. Waa-haa-haa. Irgendwann kommt Mam natürlich rauf und nimmt mich in den Arm und nennt mich Segosha und fragt mich, was ich habe und ob heute im Kloster irgendwas passiert ist. Ich sage nichts, drehe mich auf die Seite und mache weiter. Waa-haa-haa.
Irgendwann taucht endlich Dad auf. Mein Vater. Er setzt sich neben mich auf die Bettkante und legt mir seine riesige Hand auf den Rücken, direkt unter den Nacken. Er nennt mich seinen Sohn und fragt, ob er einen Krankenwagen rufen muss. Ich mache weiter. Waa-haa-haa. Er lehnt sich näher zu mir und gibt mir einen Kuss auf den Hinterkopf. Ich fühle, wie sein Schnurrbart mein Ohr streift. Sein Atem riecht nach Alkohol. Er ist ein Riese. Seine riesige Hand wandert rüber zu meiner Schulter und drückt zu, und er sagt, dass ich ein guter Junge bin.
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