Nichts für Anfänger - Roman
oder auch nicht.
Sie sagt, dass sie am Ende des dritten Fastentages schon fast umkippte, als das Zeichen endlich kam. Sie bekam ihre Tage. In Schwester Veronicas Französischunterricht kamen sie aus ihr herausgeschossen, mindestens eine Woche zu früh, sodass sie Hals über Kopf das Weite suchte, mit ihrer Sporttasche unter dem Arm und einem dicken Klumpen einlagigem Schulklopapier in der Hose. Sie stürmte zu Hause in die Küche und fand dort am Tisch ihre Mam vor, die ein Schälchen Erdnüsse aß und auf die Einzelteile des noch nicht zusammengebauten Fleischwolfs starrte, den sie benutzte, wenn sie Shepherd’s Pie machte, vor ihr der erste Sherry des Nachmittags.
Sie unterhielten sich, erzählt sie. Ihr erstes richtiges Hand-aufs-Herz-Gespräch darüber, eine Frau zu sein und eine Periode zu haben und was es für die Welt bedeutete, Babys zu bekommen und Familien zu gründen und der Grundpfeiler zu sein, auf dem die Gesellschaft ruhte, ja sogar die ganze Welt. Sinead Donohue goss Saidhbh sogar ihr allererstes Gläschen Sherry ein. Saidhbh sagt, dass es ein total tiefgründiges Gespräch war und quasi auch ein Zeichen für sich. Vor allem, als ihre Mam am Ende noch anfing, über die Liebe zu reden und dass ohne Liebe nichts einen Sinn ergibt. Und sie sah Saidhbh in die Augen und riet ihr, sich niemals jemandem ohne Liebe hinzugeben, weil ohne Liebe hätte sie für den Rest ihres Lebens die Arschkarte. Und sie wäre wie eine Erdnussschale ohne Erdnüsse.
Aber was ist mit Gott?, fragte Saidhbh mittendrin und überraschte ihre Mutter einmal mehr damit, was für eine Oberheilige sie sein konnte, wenn sie in der Stimmung war, und Sinead fragte sich vermutlich für einen Sekundenbruchteil, wie sie ganz entgegen ihren Bemühungen so eine kleine Maria von Trapp aufgezogen hatte. Also?, bohrte Saidhbh nach, verwirrt von dem ganzen Gerede über Den Richtigen und Die Ewige Liebe. Wo kommt Gott da ins Spiel?
Offenbar lächelte Saidhbhs Mam nur, wurde ganz allwisserisch und weise, nippte an ihrem Sherry und sagte, »Gott ist Liebe.«
Saidhbh sagte, dass sie sich nicht ganz sicher war, ob das Ganze bedeutete, dass ihre Mam in ihrem Liebesleben besonders vorsichtig gewesen ist und sich einen Kerl ausgesucht hat, Taighdhg, den sie wirklich liebt, und somit eben nicht für den Rest ihres Lebens mit der Arschkarte herumläuft. Oder ob es bedeutete, dass sie Taighdhg nicht wirklich liebte und bis in alle Ewigkeit in der Scheiße steckte und Saidhbh in Wahrheit aus eigener, bitterer Erfahrung davor warnte, bloß nicht denselben Fehler zu machen wie sie. Aber sei’s drum, alles, was Saidhbh hören wollte, war das O. K. von Gott, und mit seinem Segen im Hinterkopf heckte sie ihren Plan aus, ihren Schachzug am Tag nach meinem vierzehnten Geburtstag durchzuziehen, dem Tag, an dem ich, nach ihrer eigenen Vorstellung, zum Mann wurde.
Wir bekommen den Bus nach Knocksink und eine Riesentüte von Deveney’s Off Licence klimpert fröhlich an unseren Knöcheln herum. Für den Alk hat Saidhbh gesorgt. Zwölf kleine Flaschen Stag. Was für mich, der nie mehr als zwei HCL und ein paar abgestandene Schlucke hier und da aus anderer Leute Gläsern genippt hat, bei Weitem ausreicht.
Es ist ein kalter Februarmorgen, und wir sind ordentlich eingepackt, ich in einen grauen Dufflecoat über dem grauen Hemd, sie trägt eine schwarze Bomberjacke mit Buttons dran über einer Jeansjacke, einem Polo, zwei T -Shirts und einem BH . Aber es ist auch sonnig, und während wir am Samstagmorgen in dem für uns typischen Schweigen oben im Bus sitzen, der sich seinen Weg durch Kilcuman, Sandyford und rauf nach Eniskerry bahnt, fangen wir an zu schwitzen, weil sich das Sonnenlicht mit der nebligen Heizungsluft mischt, also schälen wir uns nach und nach in einem leisen, halb verschämten Striptease aus unseren diversen Schichten.
Hauptsächlich halten wir allerdings auf der gesamten Fahrt Händchen. Mann, ich liebe ihre Hände. So weich und so warm wie ein verträumter, fünffingriger Hautstecker am Netzkabel in ihre Seele. Wir drücken fest zu, manchmal so, als wollten wir uns die Fingerknöchel brechen, die ganze Zeit. Es ist, als würde alles aus unserem Körper, unseren Herzen und unserem Verstand in unsere Hände strömen und als würden wir nur so fest wie möglich zudrücken und hoffen können, dass unsere Finger knacken und aufbrechen und unsere Hände in einen einzigen, riesigen, triefenden Fleischklumpen aus Blut und Leidenschaft verschmelzen.
Wir
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