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Nichts Weißes: Roman (German Edition)

Nichts Weißes: Roman (German Edition)

Titel: Nichts Weißes: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Erdmann Ziegler
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Kronleuchtern. Passeraub war pausbackig, knopfäugig, fast weißhaarig, die Ruhe selbst. Marleen fühlte sich schwerer in seiner Gegenwart, der Erde nah.
    »Man kann unmöglich wissen, was passieren wird, weil es dafür kein Gesetz gibt. Es wird irgendwo von irgendwelchen Leuten entschieden, oder vielleicht noch nicht entschieden. Aber vorangebracht. Die große Bedrohung für IOM ist der Personalcomputer, der aus Kalifornien kommt.«
    »Ich dachte, IOM stellt selbst welche her.«
    »Das schon. Und sie haben im Moment auch noch einengewissen Vorteil, allein durch den Namen und den Vertrieb. Dennoch, der Name steht für Maschinen.«
    »Der Computer ist auch eine Maschine.«
    »Das können Sie laut sagen.«
    Sie grübelte eine Weile, was das bedeuten konnte. Passeraub sah ihr dabei zu.
    »Fräulein Marleen, das ist genau, worum es letztlich geht. Es ist die Soft-Ware.« (Er sprach es deutsch aus.)
    »Das Betriebssystem.«
    »Das war mal das Betriebssystem. Inzwischen sind Schichten um Schichten von Anwendungen hinzugekommen. Schriften, zum Beispiel. Schach.«
    Marleen zuckte zusammen. Hatte sie etwas nicht bemerkt?
    »Ach so, im Computer meinen Sie?«
    »Schach. Rechtschreibkontrolle. Bilddatenbank. Adressbuch. Das heißt, wenn die Geräte kleiner werden, bei zunehmend kompakter Soft-Ware – sehen Sie, das sind ja nur gelötete Plättchen –, dann kann eine einzelne Maschine alles. Und der sie bedient ebenfalls. Der ist dann der Direktor, der Vertriebschef, sein eigener Sekretär. Nebenbei gibt er eine eigene Zeitung heraus, die er selbst schreibt und am Bildschirm montiert.«
    »So sieht sie dann auch aus.«
    »Im Moment sieht das tatsächlich alles schlimm aus. Und sagen Sie mir mal, Fräulein Marleen, wie man das ändert.«
    Marleen: » Passeraub ?«
    Passeraub lachte. Insofern Schweizer lachen.
    »Nein, wirklich«, sagte er. »Wie kann man das ändern?«
    »Sprechen Sie von … so einer Art Laienkunst?«
    »Ja, schon, Gestaltung für jedermann. Der Betriebswirt in Wisconsin, der Hautcremes vertreibt.«
    »Ja?«
    »Er bestellt zum Beispiel kein Briefpapier mehr. Der Briefkopf kommt mit jedem einzelnen Brief aus dem Drucker, den der Computer als Nebengerät führt. Er entwirft seine Anzeigen selbst. Er beschriftet selbst das Geschäft. Alles aus der gleichen … ja, nennen Sie das noch eine Maschine?«
    »Aber das ist doch tragisch. Man sollte dem Mann dringend empfehlen, sich an das Handwerk zu halten. Ich meine, er baut sein Auto ja auch nicht selbst.«
    »Sehr gut, Fräulein Marleen. Damit nehmen sie die Position eines Teils des Vorstands ein.«
    »Bei der Hautcreme.«
    »Nein, bei IOM. Sie sehen die nicht, die Exekutivdirektoren. Die rauschen mit ihren Limousinen durch den Lincoln Tunnel« (er betonte die letzte Silbe), parken in der Tiefgarage und nehmen den Schnellaufzug in den dreißigsten Stock. Diese Leute bestimmen die Zukunft von IOM. Die eine Hälfte sagt, wir bleiben beim Office. Wir ergänzen das System. Wir bauen die besseren Maschinen. Auch für den Satz.«
    »Das wäre jetzt meine Partei.«
    »Genau. Die anderen sagen, es ist Unsinn, schöne Büromaschinen zu produzieren, die selbst immer weniger leisten, und für elektronische Schriftsysteme Lizenzen zu kaufen. Sie müssen uns gehören. Wir müssen bei der Soft-Ware aufholen, sie ist Teil der Maschine.«
    »Die dann doch immer komplizierter wird. Komplette Schriftsysteme, in der Druckerei, logisch, aber doch nicht im Büro! Wie soll der Laie das bedienen?«
    »Noch nicht! Das ist ja der Punkt. Da sind die Kalifornier ganz vorn dabei: Jedes Handwerk, das mit Typografie, Schriftverkehr und Gestaltung irgendetwas zu tun hat, wird Stück für Stück abgeschaut und in das Regelwerk der Soft-Ware übertragen. Und zwar so, dass der Laie es vor sich sieht. Das heißt, man muss nicht länger wissen, was eine Bembo ist. Man bekommt vom System eine Briefvorlage angeboten, die dannaussieht wie aus London geliefert, und zwar mit Titel, Text, Einzug, Zentrierung, Viertel, Achtel, Schmuckelementen … verstehen Sie? Und ein Kind wird es bedienen können.«
    »Und warum macht IOM das nicht einfach auch?«
    »Es gibt dazu Ansätze, aber halbherzige. Der Vorstand ist eben gespalten. Eines Tages werden Köpfe rollen. Die einen oder die anderen. Und zwar dann, wenn es nichts mehr nützt.«
    Nicht weit vom Hotel, an der Ecke zur Avenue waren Baumaterialien gestapelt, da setzte Marleen sich drauf. Sie hatte nicht den Eindruck, dass es dunkel wurde, sondern dass ganz im

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