Nick Stone - 03 - Verbrannte Spuren
Seengebiets lag, das insgesamt über 10000 Quadratkilometer mit Hunderten von Buchten und kleinen Inseln umfasste, die mit
Dörfern und Kleinstädten übersät waren. Das Ziel lag etwas über 20 Kilometer nördlich von Lappeenranta an einer Straße, die einige der Inseln mit einem Gebiet verband, das auf der Karte als Kuhala bezeichnet war.
Das Haus stand nicht am Seeufer, sondern ungefähr einen Kilometer von einem See entfernt im Wald.
Liv überließ uns unserer Arbeit, und ich sah ihr
bewundernd nach, als sie ging. Sie war unglaublich cool, und ich merkte, dass ich anfing, sie sehr gern zu mögen.
»Hey, Tom?« Ich drehte mich nach ihm um. Er saß mit 222
dem Rücken zu mir über den kleinen Bildschirm gebeugt da.
Er drehte sich mit seinem Stuhl um und hob den Kopf.
»Was gibt’s, Kumpel?«
»Ich glaube, es wäre besser, wenn du mit Liv nicht über Geld reden würdest. Vielleicht bekommt sie weniger als wir und wäre sauer, wenn das rauskäme. Sollte sie nach unserem Honorar fragen, sagst du einfach, dass du nicht weißt, wie viel wir genau kriegen, okay?«
»Dann gehört dieses Haus also nicht ihr?«
»Bestimmt nicht. Sie hat nur einen Auftrag
übernommen – genau wie wir. Wir lassen uns am besten nicht in die Karten schauen, okay?«
Tom drehte sich wieder nach dem Schreibtisch um.
»Wie du meinst, Kumpel. Was auch immer.« Die Tasten begannen erneut unter seinen flinken Fingern zu klicken.
»Ist mir piepegal.«
Ich beschäftigte mich wieder mit dem vor mir
ausgebreiteten Kartenmaterial. Landkarten sind nützliche Hilfsmittel, aber sie zeigen natürlich nicht alles. Ich musste dringend nach Lappeenranta fahren und das Ziel selbst erkunden. Während ich dasaß und mir das
Kartenbild einprägte, hörte ich hinter mir Toms Finger über die Tastatur klappern.
Aus Erfahrung wusste ich, dass es am besten war, sich die Route einzuprägen, die man fahren würde. Das war viel einfacher, als zu versuchen, sich Ortsnamen und Straßennummern zu merken. Ich saß da, starrte die kahle weiße Wand an und fuhr in Gedanken von Heinola zum Zielobjekt bei Lappeenranta, als mir auffiel, dass unter 223
einer Steckdose ein kleines Stück aus der
Gipskartonplatte der Wandverkleidung herausgebrochen war.
Ich kniete nieder, um die Stelle zu begutachten, bog den Gipskarton etwas weiter auf und entdeckte dahinter eine mit Kunststoff kaschierte dünne Bleifolie. Ich sah mich nach Tom um. Er hackte weiter wie ein Besessener auf seiner Tastatur herum.
Ich drückte die Gipskartonplatte wieder an, machte einen Rundgang durch den Raum und hielt Ausschau
nach weiteren Löchern. Dann fiel mir auf, dass es hier keine Telefonsteckdosen gab. Selbst in einem modernen Haus war das etwas zu sehr auf die Spitze getriebener Minimalismus. Sollte so erreicht werden, dass hier niemand elektronisch erreichbar war? In diesem Fall nahm Val seine Arbeit sehr ernst, und das beunruhigte mich etwas. Ich entdeckte nicht gern Tatsachen, die ich längst hätte wissen sollen.
Ich ging zu Tom hinüber, blieb hinter ihm stehen und betrachtete den Bildschirm voller Zahlen und
Buchstaben. Einige der senkrechten Linien veränderten sich bei jeder neuen Taste, die er anschlug.
»Kannst du mit diesem Zeug was anfangen?«
»Kein Problem; hier geht’s um Algorithmen,
Protokolle und gesicherte Proxyserver, solches Zeug. Die Sache läuft darauf hinaus, dass ich aus ungefähr einer Million Zeichensätze die richtige Zugangssequenz finden muss. Das ist der Firewall zwischen mir und dem Rest des Systems.« Er deutete auf den Bildschirm, den er keine Sekunde lang aus den Augen gelassen hatte. »Das 224
ist ein ziemlich hoch entwickeltes
Verschlüsselungssystem mit einem Lernprogramm, das ungewöhnliche Ereignisse entdeckt – zum Beispiel, dass ich mir Zugang zu verschaffen versuche – und sie als Angriff interpretiert. Wollte ich vor Ort dort eindringen, würde die Zeit nie reichen. Aber diese Methode ist ideal: Ich habe genug Zeit und kann herumspielen.«
Irgendetwas lenkte ihn von der Unterhaltung mit mir ab, als er sich jetzt nach vorn beugte und den Bildschirm studierte. Wir schwiegen beide einige Sekunden lang, während er Unverständliches vor sich hin murmelte, bevor er wieder in die Realität zurückkehrte. »Okay, sobald ich mich dort reingehackt habe, brauche ich nur noch dieses ThinkPad zu konfigurieren und
mitzunehmen. Dann kann ich alles runterladen, was sie will. Ein Kinderspiel.«
Ich beobachtete ihn bei der Arbeit. Er hatte sich
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