Nick Stone 07 - Schattenkiller
wieder. Jetzt musste ich nur noch für sie atmen - sie würde mir zu verstehen geben, wann das nicht mehr nötig war.
Ich beatmete die Frau noch zwei weitere Male, fühlte dann erneut den Puls. Ihre Lider zuckten.
Und noch zweimal. Sie hustete. Etwas Blut kam aus ihrem Mund. Jerry war so aufgeregt, dass seine Hände von der Wange rutschten.
»Halt den Riss zu, halt ihn zu!«
Ich hatte gerade damit begonnen, ihr zehn kurze Atemzüge zu geben, als ihre Hand nach oben kam und mich wegdrückte. Sie stöhnte leise, wie ein Baby, hatte offenbar
Schmerzen. Das war eine gute Sache. Wenn sie Schmerz fühlte, funktionierte ihr Gehirn.
Ich hob ein Lid, und die Pupille reagierte. Es war keine starke Reaktion, aber sie genügte.
»Sprich mit ihr, Jerry. Sorg dafür, dass sie antwortet. Sie soll zu sich kommen. Weck sie.«
42
Die Frau war noch immer halb bewusstlos, stöhnte aber erneut, als ich sie auf die Seite drehte, damit die Zunge sie nicht am Atmen hinderte.
Ich rollte mich weg und setzte mich erschöpft einen Meter entfernt auf. Jerry beugte sich über sie, sprach auf Arabisch und strich ihr blutverklebtes Haar zurück. Sie stöhnte etwas lauter.
Ich blickte auf meinen nackten Leib. Überall sah ich das Blut der Frau; die Hände waren voll davon. Außerdem hatte ich Glassplitter von ihr abbekommen. Einige steckten in meinen Handballen. Ich sah nach links. Der Fernseher war vom Sideboard gefallen und lag seitlich auf dem Boden. Das Bild war jetzt fast perfekt, aber es gab keinen Ton mehr.
Ich neigte den Kopf, als Bilder von außerhalb des Hotels gezeigt wurden. Eine Raketengranate hatte einen Balkon getroffen und den schicken Star-Wars -Beton zerfetzt. Die Kamera zoomte ein rußgeschwärztes Loch heran, das weniger als dreißig Zentimeter maß - dort hatte die RPG die Wand durchschlagen. Die Dinger waren so konstruiert, dass sie Panzerungen durchdringen konnten, um die Leute dahinter zu erledigen. Alle Personen auf der anderen Seite des Loches hatten es mit einem Sturm aus Glas- und Gesteinssplittern zu tun bekommen.
Das Bild wechselte und zeigte einen Reporter mit kugelsicherer Weste und wirrem Haar, das auf die Party am vergangenen Abend und einen frühen Morgen hinwies. Der Panzer war getroffen. Die Szene hinter dem Journalisten bot ein Durcheinander aus Soldaten, Rauch, Krankenwagen und Medizinern.
Stimmen erklangen im Flur: amerikanisch, männlich, Macho. »Ist jemand verletzt? Braucht jemand Hilfe?«
Jerry lief zur Tür. »Hierher! Hierher!«
Uniformierte Sanitäter kamen herein, mit Erste-HilfeAusrüstungen auf dem Rücken. Jerry wies darauf hin, dass der Ehemann nach unten gegangen war, um Hilfe zu holen, aber die Neuankömmlinge hörten ihm gar nicht zu. Sie knieten bereits auf dem Boden und untersuchten die Frau.
Einer von ihnen sah mich an. »Alles in Ordnung mit Ihnen?«
»Ja.« Ich hob die Hände. »Es ist ihr Blut.«
Ich stand auf und ging zum Bett, um nicht im Weg zu sein. Die CNN-Kameras richteten sich jetzt auf den Panzer. Er war an der einen Gleiskette getroffen - das Ding lag flach hinter ihm. Die islamischen Kämpfer hatten gute Arbeit geleistet.
Aus dem Stöhnen der Frau wurde ein Schluchzen, als die Schmerzen stärker wurden. Ich trat auf den Balkon.
Die Sonne stand fast über den Dächern. Ich wischte mir Blut aus dem Gesicht und begann damit, Glassplitter aus den Handballen zu ziehen.
Gleiskettenfahrzeuge rasselten durch die Straßen. Weiß der Teufel, was sie zu erreichen hofften - der Zug war längst abgefahren.
Sirenen heulten, und weitere Krankenwagen rasten heran. Unten im Garten führten die Reporter und Kameraleute Interviews, so als gäbe es nur sie an diesem Ort.
Ich blickte dorthin, wo die Raketengranaten abgefeuert worden waren. Die Entfernung betrug etwa dreihundertfünfzig Meter - bei einem stationären Ziel konnten RPGs aus einer Distanz von bis zu fünfhundert Metern eingesetzt werden. In den Fenstern des Hochhauses fehlten die Scheiben; es war schon vor einer ganzen Weile ausgebrannt. Vielleicht hatte es einmal als Zentrale für die Baath-Partei gedient. Jetzt gab es dort ein frisches Loch, geschaffen von der Kanone eines Panzers. Außerdem zeigten sich im Bereich des sechsten und siebten Stocks viele Einschusslöcher Kaliber .50. Raketengranaten sind großartige Waffen, verraten sich aber mit einem großen Lichtblitz und einer graublauen Rauchfahne. Wenn man den Abzug gedrückt hat, sollte man schnell verschwinden.
Es war vorbei. Sie hatten uns einen
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